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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 418
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der Gesellschaftsstruktur stehen könnte". Der Kult der heiligen Anna ist
eng mit der Verehrung der Muttergottes verbunden. Dessen Entfaltung
kommt dem Humanisten Johannes Trithemius zu, Abt der benediktinischen
Abtei in Sponheim. Dieser schrieb eine leidenschaftliche Huldigung an die
hl. Anna ,,De laudibus sanctissimae Annae tractatus". Damals glaubte
man, daß Anna einen besonderen Einfluß auf das heiligste Herz ihres Enkels
, Jesus, ausüben könnte, und so war sie die bevorzugte Helferin bei großen
Gefahren; viele wie Luther im Gewitter seiner seelischen Prüfung
mögen laut aufgeschrieen haben: ,,Anna, komm mir zu Hilfe!"12

Nach Frau Gertrud Schiller erklärt sich die Gegenwart der hl. Anna in der
marianischen Ikonographie auch durch die vielen Gebete, die die mittelalterlichen
Schriften und besonders die Stundenbücher13 der hl. Anna zuschrieben
zur Ehre der Unbefleckten Empfängnis ihrer Tochter Maria —
einem Dogma, dem alle rheinischen Vorhumanisten (Geiler von Kaysers-
berg, Jakob Wimpheling, Sebastian Brant, Johannes Heynlin von Stein) ergeben
waren.

Die Prämonstratenser von Allerheiligen, die seit 1196 das Patronatsrecht
über die Pfarrei Nesselried ausübten14, gehörten zu einem der ersten Orden
, die, schon seit 1333, das Recht erhielten, das Fest der Unbefleckten
Empfängnis zu feiern, das sonst noch umstritten war15. Da sie sehr an diesem
Kult hingen und ihn verbreiteten, kann man vermuten, daß das Nessel-
rieder Altarwerk auch dieser Frömmigkeitsbewegung entsprach.16 Das Bild
der hl. Anna hatte noch eine andere theologische Funktion. Da ihr oblag,
die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens zu verteidigen, sind auch zugegen
die drei Ehemänner Annas, deren Töchter, Schwiegersöhne und
Enkelkinder, entsprechend einer Legende des 9. Jahrhunderts, die vom
..Speculum historiale" des Vinzenz von Beauvais und der ,,Legenda Aurea
" verbreitet wurde.17 So sollte die Existenz der Brüder Jesu (Lukas 8,
19—21 und Joh. 2, 12) erklärt werden, und der Glaube an die Jungfräulichkeit
,,post partum" bewahrt bleiben.

Das Nesselrieder Bild repräsentiert also nicht nur die Unbefleckte Empfängnis
, sondern auch die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens. Diese
marianische Ikonographie paßte zur Nesselrieder Kirche, war sie doch nach
einem Visitationsbericht am 17.9. 1666 ,,sacra divinae Virginis" benannt.18

Die hl. Sippe übernimmt und erweitert ein ikonographisches Schema, das
auch Riemenschneider um 1520 für seinen Sippen-Retabel benutzte.19

Die hl. Anna und ihre drei Töchter Maria, mit losem Haar als Jungfrau dargestellt
, ihre Schwestern, Maria Cleopas und Maria Salomas, ein Tuch auf
dem Kopf als Verheiratete tragend, sitzen auf einer Steinbank, vor einem
Geländer, das den ,,Hortus conclusus" symbolisieren soll, ein alttestament-

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