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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 517
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zubeschwören. Der Gedanke eines solchen Konfliktes ist uns unerträglich.
(. . .) Man kann sagen, daß jeder ernsthafte europäische Konflikt Elsaß-
Lothringen sofort in ein Schlachtfeld verwandeln würde ... Aus diesem
Grunde sind die meisten von uns Pazifisten oder wenigstens mit in erster
Linie aus diesem Grunde.
(...)

Trotz alledem müssen wir an die Wirkung der Propaganda für den Frieden
und an den Tag glauben, wo die Einsicht oder die Not der Völker dem unsinnigen
Wettrüsten ein Ende macht. Das ist für die Elsaß-Lothringer wie für
alle Friedensfreunde das weitere Ziel; das nähere, Deutschland und Frankreich
geeinigt zu sehen. Darin fühlen wir uns verbunden mit allen , ,guten
Europäern" der beiden großen Länder. Hoffen wir, daß wir das Ziel erreichen
, ohne erst durch das Blut eines europäischen Krieges waten zu
müssen."

Der Weltkrieg wurde zur Zerreißprobe. Er hat sie bestanden, wenn auch
nicht ohne Schwierigkeiten, anfängliche Fehleinschätzungen (so sein Glauben
an den deutschen Sieg), expressionistische ,,Aufbruchs"-Erwartungen
und Versuche, dem Sinnlosen des Kriegs doch noch einen Sinn zu geben
für eine „Neuordnung der Dinge in Europa".12 Im gleich in den ersten
Kriegswochen entstandenen elsässischen Drama Hans im Schnakenloch
heißt es bekenntnishaft:

Spannen sie einen Menschen mit Armen und Beinen zwischen zwei Pferde,
jagen sie die Pferde in entgegengesetzter Richtung davon, und sie haben genau
das erhabene Schauspiel der elsässischen Treue.13

Wir können hinzufügen: der europäischen Treue. Hans im Schnakenloch
ist die Zeugenaussage eines durch den Krieg zerrissenen deutsch-französischen
, europäischen Elsässers. Mit der Elsaß-Thematik kommt das tiefere
Erleben zum Ausdruck, tritt immer wieder der betroffene, das heißt
der authentischere Dichter hervor. In einer schmerzlich-ironisch Das Gastmahl
der guten Europäer betitelten Glosse beschreibt er, wie bei Kriegsausbruch
die vorher freundlich zusammensitzenden Journalisten verschiedener
Nationen sich nun plötzlich gegenseitig beschimpften (,,nahmen wir die
Teller unseres gemeinsamen Mahles, die halbgeleerten Gläser, schmetterten
sie uns vor die Füße" .. .).14 Was Schickele da in drastischer Bildlichkeit
veranschaulichte, war die geistige Katastrophe Europas, das Versagen und
sich Vereinnahmenlassen der Intellektuellen; dem wollte er entgegenwirken
, indem er sich (nach der Formel Romain Rollands) ,,au-dessus de la
melee" stellte. Wie es treffend Joachim W. Storck hervorgehoben hat:
,,Europäisch-Sein hieß daher damals: in Kriegsgegnerschaft treten".® Man
weiß, daß Schickele dies immer deutlicher tat, als Herausgeber der Zeitschrift
Die weißen Blätter, mit der er sich in die Schweiz zurückzog, die
er als Forum des geistigen Internationalismus der Stimmen gegen ,,Barba-

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