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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
71. Jahresband.1991
Seite: 612
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sches Geistchristentum ruhen zu lassen. Von dessen Messianismus, in dem
christliche und heidnisch-germanische Elemente eine bezeichnende Verbindung
eingingen, war schon sein „Völkisch-Soziales Programm" von 1924
geprägt gewesen; in ihm war u.a. die Erwartung ausgesprochen worden,
daß ,,der Herzog Heiland selber, flammend von heiligstem Zorn, uns...
die schwarz-weiß-rote Hakenkreuzfahne gegen Juda und Rom" voranträgt
.51 Obschon Dinter von Hitler noch Ende 1925 in den Kreis der führenden
Parteiredner eingereiht worden war, bewirkten solche Verstiegenheiten
schon bald eine gewisse Isolierung Dinters innerhalb des Kreises der
nationalsozialistischen Führung — gleichwohl konnte er nicht zuletzt von
der Seite Hitlers selber mit Duldung rechnen, solange er seine religions-
reformatorischen Gedanken lediglich als private zu erkennen gab.52

Dinter indes, davon überzeugt, daß der Nationalsozialismus ohne sein Konzept
der geistig-religiösen Fundierung nie zur Macht gelangen würde, war
zu sehr Propagandist, als daß er mit seinen Ideen und Uberzeugungen hätte
zurückhalten können. So formulierte er 1926 seine ,,197 Thesen zur Vollendung
der Reformation" und provozierte sowohl auf dem Weimarer NSDAP-
Parteitag 1926 wie auf dem Nürnberger des folgenden Jahres mit seinen Redebeiträgen
zur religiösen Erneuerung Deutschlands Eklats, die ihm die
Grenzen des im Partei inte resse Erlaubten unmißverständlich verdeutlichten.
Die von Hitler daraufhin persönlich verfügte Entscheidung, die NSDAP sei
eine politische Partei, die sich mit religiösen Fragen nicht zu beschäftigen
habe, veranlaßte Dinter zum Rücktritt von seinem Posten als Gauleiter. Es
war nicht politische Resignation, die ihn diesen Schritt tun ließ (noch war
er ja Führer der thüringischen NS-Landtagsfraktion), sondern seine Absicht
, nunmehr die Realisierung der religiösen Erneuerung ins Werk zu setzen
, die er mit seinen Büchern und Schriften theoretisch fundiert zu haben
beanspruchte. Anfang 1927 gründete er in Nürnberg mit der „Geistchristlichen
Religionsgemeinschaft" seine eigene Kirche, die der „geistig-sittlichen
Vertiefung" der nationalsozialistischen Weltanschauung auf der Basis
seines Geistchristentums dienen sollte. Wie verquer man Dinters ideologische
und politisch-praktische Bemühungen immer einschätzen mag —
mit diesem Schritt hatte er sich im inneren Kreis der NS-Macht endgültig
als ein unsicherer Kantonist erwiesen, dessen Verhalten längst die innere
Disziplin der Partei berührte, die Gefahr von Spaltungen heraufbeschwor
und Teile der Mitgliederschaft ihrer Partei zu entfremden drohte. Somit war
die Partei — sollte sie denn, von inneren Krisen gerade in jenen Jahren ohnehin
nicht verschont, endlich zu ihrer inneren Geschlossenheit und straffen
Organisation zurückfinden — zur Entscheidung gezwungen: sie fiel, als
Dinter seine ideologisch-religiösen Quertreibereien schließlich noch mit einer
offenen Infragestellung des absoluten Führerprinzips (und damit der
konkreten Führungs- und Entscheidungsstrukturen) verband.53 Der Parteiausschluß
erfolgte im Oktober 1928, und auch eine persönliche Aussprache

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