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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
72. Jahresband.1992
Seite: 296
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Das Risiko, das G. Trautwein hier einging, war also nicht gering; größer
scheint aber noch seine Empörung über die Hausdurchsuchungen dieser
Nacht gewesen zu sein, daß nämlich „ehemalige Kriegsteilnehmer sich so
im Namen der jetzigen Reichsregierung ... behandeln lassen müssen, ohne
ein Recht zur Beschwerde zu haben". Diese Polizeiaktion ließ ihn den
Charakter der „Machtergreifung" und des in Deutschland neu installierten
Systems mit großem Scharfblick erkennen: Willkür statt Rechtsstaatlichkeit
, der Verlust der bürgerlichen Grundrechte, kurz: „Die deutsche demokratische
Republik ist nicht mehr"151. Die Sache mit der Fahne verhielt sich
freilich anders: Ihre Verbrennung war vorgetäuscht, G. Trautwein hatte sie
gut verpackt unter dem Dach seines Hauses versteckt, um sie für die kommende
Zeit einer neuen Demokratie zu bewahren.

Von ihm, den das „kampflose Abtreten der Demokratie" und das „fatalistische
Sichabfinden von Reichsbanner und Eiserner Front mit den Verhältnissen
" mit großer Bitterkeit erfüllten152, stammt auch eine der wenigen in
Schiltach geschehenen Protesthandlungen gegen das neue Regime: Nach
den Märzwahlen hatten Nationalsozialisten den Marktplatzbrunnen mit einer
Hakenkreuzfahne versehen, deren sofortige Entfernung der dort wohnhafte
G. Trautwein telefonisch vom damaligen Bürgermeister Gross in ultimativer
Form verlangte, um dann, nach dessen Weigerung, sie kurzerhand
selber herunterzuholen153. Bei jenem anderen Schiltacher, der im Juli 1933
„wegen Beleidigung der Reichsregierung" verhaftet und ins Gefängnis
nach Wolfach gebracht wurde, handelte es sich um ein KPD-Mitglied154.

M. Fritz, der als Gewerkschaftler, SPD- und Reichsbannermitglied, Vorstand
des Kraftsportvereins und Bürgerausschußmitglied, sich politisch und
vereinsmäßig stark engagiert hatte, wurde 1933 aus allen seinen Ämtern
„gewaltsam verdrängt" und mußte zwei Hausdurchsuchungen über sich ergehen
lassen: „Die Herren waren eifrig bemüht, mir irgendeine Unredlichkeit
nachzuweisen, um mich hinter Schloß und Riegel zu bringen"155. Er
verweigerte sich auch später allen Versuchen, ihn für die Partei oder ihre
Nebenorganisationen zu gewinnen, was jedoch nicht allen ehemaligen
Reichsbannerangehörigen gelang. Besonders die im öffentlichen Dienst Beschäftigten
kamen um den Parteieintritt nicht herum, ebenso auch diejenigen
, die als Selbständige im Geschäftsleben standen156. Die Parteimitgliedschaft
von etwa zehn der 73 Reichsbannermänner ergibt einen Anteil von 14
%157, der deutlich macht, daß die überwiegende Mehrzahl (und dies waren
vor allem die Industriearbeiter), sich der Organisation im Nationalsozialismus
am ehesten entziehen konnte und dies, wie M. Fritz, auch bewußt tat.

Es ist bemerkenswert, daß viele derjenigen, die bis 1933 zusammen im
Reichsbanner für die Republik eingestanden waren und deren politisches

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