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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 150
(PDF, 129 MB)
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Die Suche nach möglicherweise im Aberglauben begründeten Anlässen,
die zur Erlangung eines bestimmten Zieles eine Vergrabung von ,Gegen-
ständen' zum Inhalt haben, führt uns zu einem interessanten Quellentext,
der uns einen Einblick in die Verhältnisse des 15. und 16. Jahrhunderts gewährt
. Mit den Worten: „Wir bringen allesamen ein rot wammesch uff Erden
, pellem secundinam, das muoß darnach der man under die Stegen vergraben
", erklärt der Straßburger Münsterprediger Geiler von Kaisersberg2
kurz und treffend Anlaß und Entstehung des gesuchten archäologischen
Befundes. Mit dem „rot wammesch", das wir allesamt mit uns bringen,
umschreibt er die bei jeder Geburt anfallende Nachgeburt. Erwähnt wird
ebenfalls der Umgang mit der Nachgeburt: sie muß vom Mann (Vater?)
unter einer Stiege vergraben werden. Der Umstand des Vergrabens eröffnet
hier die Möglichkeit eines archäologischen Nachweises. Von besonderem
Interesse ist in diesem Zusammenhang natürlich der Vorgang des Vergrabens
selbst, den Geiler von Kaisersberg leider nicht detailliert ausführt.

So bleibt nur die Suche nach weiteren Hinweisen. Die Nachgeburt und deren
Behandlung nimmt innerhalb des mittelalterlichen Aberglaubens eine
nicht unbedeutende Stellung ein, facettenreich und regional unterschiedlich
ausgeprägt sind daher Sitten und Gebräuche im Umfeld der Geburt3.

Im folgenden sollen nun einige der wichtigsten Bräuche dargestellt
werden, auffallende Unterschiede oder Gegensätze begründen sich meist in
regionalen Eigenheiten.

Sitten und Bräuche zur Behandlung der Nachgeburt:

1) Im Geburtszimmer:

Die Nachgeburt ist dem Blick der Mutter zu entziehen, da sie sonst stirbt4.

Die Nachgeburt ist sogleich wegzuschaffen, weil das Kind sonst aus dem
Munde riecht5 oder die Hexen die Nachgeburt stehlen und Wechselbälge6
daraus machen7.

2) Zur Wahl des Bestattungsplatzes:

Die Nachgeburt soll an einem Ort, wohin weder Sonne noch Mond scheint,
begraben werden, weil das Kind ansonsten eine schlechte Hautfarbe bekommt8
.

Bestattung der Nachgeburt im Freien: unter dem Grenzzaun9, im Garten
unter Fruchtbäumen10 (bestattet man die Nachgeburt unter einem jungen

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