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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 306
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gänzlich vermögenslos zu sein, das Schicksal habe über seine Familie Unglücksfälle
jeder Art verhängt. Er müsse nicht nur alle seine Bedürfnisse
mit seinem Diensteinkommen bestreiten, sondern darüber hinaus noch seine
Geschwister unterstützen. Der Nußbacher Unterlehrer Karl Benz, der
als „Schulverwalter" die II. Hauptlehrerstelle besorgte, aber nur das Unterlehrergehalt
erhielt, klagte ebenfalls heftig über die geringe Bezahlung. Er
legte eine Berechnung vor, daß er für Kost täglich 24 x brauche, für das
Bett 2 x und die Wäsche 3 x, was pro Tag 29 Kreuzer ausmachte33. Kost
und Wäsche für den Unterlehrer pflegte der Hauptlehrer gegen Entschädigung
zu stellen, so mußte der Unterlehrer noch den „Familienanschluß"
mit in Kauf nehmen:

Im Obergeschoß des Schulhauses, wo sich die zwei hohen, hellen
Klassenzimmer befanden, war noch ein Zimmer, in welchem der
jeweilige Hilfslehrer, meist ein blutjunger Mensch, der eben das
Lehrerseminar verlassen hatte, untergebracht war. Dieser Hilfslehrer
aß bei den Männers zu Mittag und zu Abend, sonst aber
blieb er ganz für sich. Meist wurde er ja schon nach einem Jahr
oder zweien woandershin versetzt.

So wie Oskar Maria Graf in seiner Erzählung „Der Lehrer Männer" das
Dasein des Unterlehrers beschreibt34, dürfte es auch in der Realität ausgesehen
haben. Zum Schicksal des Junglehrers gehörte, wie schon erwähnt,
die Tatsache häufiger Versetzungen: Auf die Kosten und den Verlust an sozialen
Beziehungen wurde keinerlei Rücksicht genommen.

Wer als Lehrer eine Familie ernähren wollte, konnte nicht umhin, sich
nach Nebenerwerbsquellen umzusehen. Ein Nebenverdienst, zu dem die
Lehrer verpflichtet waren, stellte das Mesneramt dar. In fast allen Kirchspielsgemeinden
wurde der Mesnerdienst in Naturalien entlohnt: Die
Kirchspielsbewohner hatten ein bestimmtes Quantum Mesnerwein, eine
Mesnergarbe, Mesnerfrucht oder Mesnerbrot abzuliefern. Der Einzug dieser
Naturalien oblag dem Lehrer selbst, was großen Ärger verursachte. So
war es für die Lehrer eine große Erleichterung, als - wie in Nußbach
185 1 35 - der Oberkirchenrat die Ablösung der Mesnerfrucht genehmigte:
Stattdessen zahlten die Gemeinden Nußbach und Zusenhofen jährlich zu
Martini 85 Gulden. Die Verpflichtungen, den Pfarrer bei Krankenbesuchen
zu begleiten, an Beerdigungen und Trauungen teilzunehmen, zu läuten und
den Gottesdienst vorzubereiten, gingen häufig auf Kosten des Unterrichts.
Gravierender wurde die Demütigung empfunden, die mit dem Mesnerdienst
verbunden war:

Genug, wir ehren den Stand eines Geistlichen; leider, daß es geschieht
, daß ofi die geringste Kleinigkeit benutzt wird, um den

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