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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 310
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Ein wahres Faktotum, was Nebenjobs betrifft, war der Ödsbacher Lehrer
August Herrmann41. Er übernahm in Ödsbach den Ratschreiberposten. Mit
Genehmigung des Oberschulrats betrieb Hermann zusammen mit seiner
Ehefrau eine Weinhandlung. Als Herrmann auch noch Branntwein verkaufen
wollte, schritt der Oberschulrat ein. 1865 hatte sich Herrmann als Freizeitwirt
versucht: Beim Schulhaus baute er am Sonntag eine Holzkegelbahn
auf, worauf junge Leute kegelten. Die Gäste wurden mit Wein bewirtet
. Die paar Gulden jährlich für das Morgenläuten wollte sich Herrmann
auch nicht entgehen lassen. Er spannte zu diesem Zweck von seinem
Schlafzimmer über die Straße hinüber zur Jakobskapelle ein Seil, um bequem
vom Bett aus die Frühglocken läuten zu können. Herrmann galt auch
als der „allgemeine Ratgeber und Rechtskonsulent" in Ödsbach, als eine
Art Winkeladvokat. Schließlich genierte sich Herrmann auch nicht, mit
dreien seiner zehn Kinder im Oberkircher Ochsen ein Abendkonzert zu geben
- gegen einen Eintritt von 18 Kreuzern pro Person42.

Bis zum Jahr 1836, als Regelungen über die Zurruhesetzung von Lehrern
in Kraft traten43, hatten die Lehrer buchstäblich bis zu ihrer Dienstunfähigkeit
, häufig bis zu ihrem Tod zu arbeiten. Ein erschütterndes Dokument
dafür ist das Schreiben des schon erwähnten Ödsbacher Lehrers Martin
Wirth an seine Behörde:

Wie mein Körper, in noch größerem Maße altert mein Geist, das
Gedächtnis wie die Fassungskraß versagen mir täglich mehr ihre
Dienste, in gleichem Grade, wie das Augenlicht schwindet. Bei
diesem unbesiegbaren und täglich wachsenden Hindernissen des
Körpers und des Geistes fühle ich gar wohl, daß ich nicht in einer
123 Schüler zählenden Schule nicht mehr genügen könne, auch
wenn die Forderungen früher um vieles geringer gestellt waren als
in der heutigen Zeit44.

Wer mit der beruflichen Situation einigermaßen zurande kam, wehrte sich
gegen seine Pensionierung, denn - so der Nußbacher Hauptlehrer Ludwig
Meyer 1867 - das „Ruhegeld reicht nicht zur Befriedigung der nötigen
Bedürfnisse für das Alter"45. Meyer hatte wegen zweimaliger Erkrankung
seit Mai 1864 um Zuteilung eines Hilfslehrers bitten müssen. Auch vermutete
er, daß man ihn für die Alkoholexzesse seiner beiden Unterlehrer verantwortlich
machte. Er fürchtet sich vor „Untätigkeit und Langeweile":

Und nun soll ich von lebenslänglich gewohnter Arbeit ganz verdrängt
werden! Mein ganzes Leben legte ich auf den Altar der
Schule; ich bitte darum, mein Wirken fortsetzen zu dürfen, bis
meine Dienstunfähigkeit genügend erwiesen sei.

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