Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 312
(PDF, 129 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1993/0312
Um nicht gänzlich arbeits- und damit erwerbsunfähig zu werden, vollzog
Kühle einen bemerkenswerten Schritt: Er beantragte seine Entlassung aus
dem Schuldienst49. Vielfach war es schon die katastrophale Wohnsituation,
die krank machte. So klagte der junge Nußbacher Unterlehrer Nock, man
verweigere ihm ein heizbares Zimmer. Man hatte ihm ein Mansardenzimmer
eingeräumt, das nicht wohnbar, geschweige denn heizbar sei. So hätten
sich laut ärztlichem Attest die Gichtbeschwerden weiter verschlimmert50
.

Die engen Schulzimmer, in denen eine unübersehbare Kinderschar untergebracht
werden mußte, waren Infektionsherde für Erkrankungen, die
durch Bakterien und Viren übertragen wurden.

Noch weniger den gesundheitlichen Belastungen als ihre männlichen Kollegen
waren die weiblichen Junglehrerinnen gewachsen. Die Ausfallsquote
durch Krankheit war - wie Beobachtungen an mehreren Renchtäler Volksschulen
ergaben - erschreckend hoch. Die Unterlehrerin Fanny Buchholz,
die 1902 nach Ödsbach zugewiesen worden war, trat ihren Dienst nicht an,
sondern kurierte in Wiesental ihr Lungenleiden aus51. Nathalie Wörner, die
1904 nach Ödsbach kommen sollte, litt an „Bleichsucht" und bedurfte eines
dreimonatigen Urlaubs. Ihre Nachfolgerin Elfriede Heck zog sich ohne
Erlaubnis des Oberschulrats nach Oberkrain und nach Veldes zurück, um
sich von den Folgen einer „Blinddarmentzündung" zu kurieren: Allem Anschein
nach lag hier keine ernsthafte Erkrankung vor, sondern die Berufung
auf die Krankheit legitimierte die Flucht aus der Schule: So wurde die
Ödsbacher Lehrerin 1911 ihres Amtes enthoben51. Der Schuldienst war bis
zum Jahr 1919 für Frauen verbunden mit einem asketischen Lebensstil: Sie
durften nicht heiraten, mußten quasi zölibatär leben und angesichts der
Einkommenssituation ein äußerst bescheidenes Leben führen. Dazu kam
eine fast unerträgliche soziale Isolation, die aus dem Gebot der Distanz zur
dörflichen Bevölkerung erwuchs.

Verschärft wurde die Belastungssituation auch dadurch, daß bei einer ohnehin
schon fast unerträglichen Normalbelastung kranke Kollegen mitvertreten
werden mußten. Die Verhältnisse an der Ödsbacher Volksschule ver-
anlaßten sogar die renommierte Badische Landeszeitung zu einem äußerst
kritischen Bericht:

Drei Lehrer teilen sich den Unterricht der 250 Kinder. Der erste
Hauptlehrer und die Unterlehrerin sind erkrankt. Die ganze Schularbeit
wird einem einzigen Lehrer aufgehührdet. Wie lange wird es
noch dauern, dann muß auch dieser Mann unter der ungeheuren
Last zusammenbrechen . . . (12. Januar 1903).

312


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1993/0312