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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 318
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tige Auseinandersetzung, weil der Vater seinen Sohn vom Turnplatz weggeholt
hatte und das Bürgermeisteramt eingeschritten war. Die Autoritätsstrukturen
der wilhelminischen Gesellschaft, an der der Lehrer oft in doppelter
Weise partizipierte, weil er oft auch noch Reserveoffizier war, stärkten
auch das Sozialprestige der Volksschullehrer60. Wo die Autorität des
Lehrers infrage gestellt war, sah man auch die Autorität des Staates in Gefahr
. Jugendliche, die vor der Wohnung des Lehrers Spottlieder sangen,
wurden in einer Gemeinde des vorderen Renchtals polizeilich belangt und
zu sechs bzw. acht Tagen Haft verurteilt (Der Renchthäler, 22. März 1878).

Umgekehrt taten sich viele Lehrer schwer, den Autoritätsvorstellungen der
Vorgesetzten und der Dorfbewohner gerecht zu werden. Vor allem Alkoholprobleme
, die sich auf Dauer nicht vor der Öffentlichkeit verbergen
ließen, nagten an der Autorität. Der Nußbacher Lehrer Göhring, der 1910
bei einer Ortsbereisung als Trinker auffiel61, wurde 1912 aus dem Schuldienst
entlassen. Nach glaubwürdiger mündlicher Überlieferung hatten einige
Lausbuben von einer nahegelegenen Gaststätte das Schild mit der
Aufschrift „Bierwirtschaft" abmontiert und an der Fassade des Schulhauses
befestigt. „Autorität und Ansehen der Lehrer", so wurde vom Oberkir-
cher Bezirksamt festgestellt62, seien durch diesen Lehrer schwer geschädigt
worden.

Auch Streitereien unter den Lehrern wurden von der Schulbehörde nicht
hingenommen. In Nußbach gerieten die Familien des Hauptlehrers Büchler
und seines Kollegen Kirschner aneinander63. Büchler hatte bei seiner Versetzung
nach Nußbach am 1. April 1913 sieben Kinder mitgebracht. Wegen
der beengten Raumverhältnisse kam es zu Streitereien um Keller- und
Speicherräume. Die Auftritte arteten zu wüsten Beschimpfungen aus, wobei
Beleidigungen geäußert wurden. Trotz eines Verweises des Kreisschulrates
wiederholten sich die Streitereien und eskalierten in einer Beleidigungsklage
. Die Vorgänge im Schulhaus wurden bald „Ortsgespräch",
auch die Schüler wußten bald darüber Bescheid. Entsprechend verfiel die
Autorität der Lehrer: Hauptlehrer Büchler wurde mit den Fortbildungschülern
nicht mehr fertig und mußte den Nußbacher Bürgermeister rufen,
um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Die alarmierten Schulbehörden
versetzten Büchler nach Badisch-Sibirien, nach Mückental im Amt Mosbach
. Sogar seine Versetzung in den Ruhestand war erwogen worden.

Diese Vorgänge zeigen auch, daß auch im privaten Bereich der Lehrer im
Dorf einer permanenten sozialen Kontrolle ausgesetzt war. So kritisierte
der katholische „Oberkircher Bote", daß neuerdings „die Lehrerinnen mit
dem Fahrrad von der Schule nach Hause fuhren". Eine Lehrerin im

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