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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 442
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Wahllokal Stimmzettel auszugeben, war sogar ausdrücklich verboten. Jede
Partei sandte also in jedes Haus einen (oder mehrere) Stimmzettel mit dem
Namen ihres Kandidaten. Der Wähler nahm dann den favorisierten Stimmzettel
mit ins Wahllokal, vor dem ihm ein Wahlhelfer ein amtlich abgestempeltes
Kuvert in die Hand drückte. In der Wahlkabine steckte nun der
Wähler seinen Stimmzettel in diesen amtlichen Umschlag und warf ihn
danach in die Wahlurne. Sicherheitshalber postierten die Parteien aber
zusätzlich noch Zettelverteiler und Kontrolleure vor das Wahllokal und
organisierten auch Schlepperdienste, um die säumigen potentiellen Wähler
zur Wahlurne zu befördern. Dieser Vorgang setzte natürlich ein reines
Mehrheitswahlrecht voraus, ist aber doch auch ein Indiz, an dem abgelesen
werden kann, wie viele früher delegierte Aufgaben die öffentliche Hand
heute an sich gezogen und wie sehr die staatliche Bürokratie inzwischen
gewachsen ist.

Die übrige in Hümmels Akten erhaltene Korrespondenz dreht sich um die
Organisation von Wahlveranstaltungen, z. B. um ein Sommerfest am
8. August 1909 im Löwen in Gutach, wo neben Musik und gemeinsamen
Liedern wie „Freiheit, die ich meine ..." und „Noch ist die Freiheit nicht
verloren ..." der Kandidat Hummel und ein auswärtiger Wahlkampfhelfer
über die politische Lage sprechen sollten51. Oder es geht um die Gewinnung
von Wahlrednern aus den Reihen der württembergischen Parteifreunde
- so haben die Reichstagsabgeordneten Friedrich Payer und
Konrad Haussmann Wahlkampfhilfe für Hummel geleistet - oder auch um
Berichte über Wahlversammlungen der Konkurrenz, die Zusammensetzung
des dort vertretenen Publikums und das Maß an Beifall, der dem
nationalliberalen oder konservativen Redner zuteil geworden ist.

Über die Themen des Wahlkampfes geben, wie gesagt, die Zeitungsausschnitte
und Wahlaufrufe Auskunft52. Sie sind in der Tat auf die Nöte und
Bedürfnisse der kleinen Leute, die den Hauptbevölkerungsanteil dieses
Wahlkreises ausmachen, zugeschnitten. Die Auseinandersetzung mit dem
Hauptgegner Zentrum und Konservative kreist daher vor allem um die
Steuerpolitik des Reichs, die sich in der gerade verabschiedeten Reichsfinanzreform
niedergeschlagen hat53. Im Reichstag hatten nämlich das Zentrum
und vor allem die preußischen Großagrarier in der Konservativen
Partei eine gerechtere Besteuerung der Besitzenden verhindert und die
nötigen Einnahmen für das Reich ganz auf indirekte Steuern verlagert. Tabaksteuer
, Branntweinsteuer, Stempelsteuer bei Grundstücks- und Immobilienverkäufen
etwa belasteten den kleinen Mann in den Schwarzwalddörfern
vergleichsweise härter als die begüterten Schichten. Den nationalliberalen
Konkurrenten behandelten die demokratischen Wahlkämpfer pfleglich
in der Erwartung, bei der Stichwahl auf die Zusammenarbeit mit ihm

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