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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 462
(PDF, 129 MB)
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Kommandant Erwin Dold berichtet über seine Ankunft im Haslacher
Lager im Oktober 1944:

„Den Augenblick, in dem ich den Haslacher Kommandobezirk betrat, werde ich
niemals vergessen: Schmutzige, halbverhungerte, von Ausschlägen und Mißhandlungen
entstellte Menschen starrten mich angstvoll an. Nicht zwei oder drei Menschen
lebten hier in größter Not, sondern Hunderte, und täglich kamen neue dazu24
."

Der Alltag der KZ-Häftlinge

Frühmorgens um 5 Uhr mußten die KZ-Häftlinge in einer Kolonne zu Fuß
unter strenger Bewachung den Weg zu den Vulkan-Stollen zurücklegen.
Der Fußmarsch dauerte etwa eine Stunde25. Besonders das letzte Stück war
sehr beschwerlich; denn es ging steil bergauf. Ein Häftling berichtet:

„Um in die Steinbrüche zu kommen, mußte man die Stadt Haslach durchqueren.
Unsere Aufseher nötigten uns, im Schritt zu marschieren, zuerst in Holzschuhen,
nach einiger Zeit für alle in Schuhen, aus einfachem Stoff oder aus papiernen
Zementsäcken hergestellt, die mit Schnüren oder mit Draht an den Füßen festgebunden
waren . . . Mit der Kälte, die hereinbrach, und dadurch, daß wir seit unserer
Ankunft kein Kleidungstück zum Wechseln erhalten hatten, das armselige
Hemd aus Holzfaser war längst ganz zerfressen vom Schmutz und den Läusen,
wurde unsere Lage noch viel schlimmer. So hatten wir nur die dünne gestreifte
Jacke auf dem Oberkörper. Um uns zu schützen, hatten wir uns angewöhnt, uns
eine Weste aus leeren Zementsäcken zu machen. Als die SS merkte, daß wir
dadurch ein bißchen weniger unter der Kälte zu leiden hatten, verbot sie uns,
Papier auf den Rücken zu legen. Bei Zuwiderhandlung würde jeder Missetäter
beim ersten mal 25, beim zweitenmal 50 Stockschläge bekommen . . .26

Die Deportierten, die immer schwächer wurden, bewegten sich nur noch mit
großer Mühe fort. Bei jedem Fußmarsch zu den Steinbrüchen fielen einige in den
Reihen um und mußten von ihren Kameraden gestützt werden, was den Zorn der
Aufseher verdoppelte. Sie hieben nicht nur mit dem Stock auf uns ein, sondern mit
Gewehrkolben. Ja, sie gingen sogar soweit, daß sie auf denjenigen schössen, der
aus der Reihe ging. Eines Tages wurde ein vor mir gehender Kamerad, der sich
gebückt hatte, um eine Rübe am Randes des Feldes aufzulesen, kaltblütig niedergeschossen
und erhielt aus nächster Nähe eine Kugel in den Kopf.

Bei Tagesgrauen führte man uns in die Steinbrüche, die einige Kilometer weit im
Berg gelegen waren. Dort ließ man uns beginnen mit dem Bau einer neuen Straße.
... In der Folgezeit mußten wir das ganze Steingeröll, das von den Felsen heruntergefallen
war und sich im Inneren der Stollen befand, wegräumen, die Gänge betonieren
und neue Zugänge errichten, um dort - wir haben dies später erfahren -
einen Rüstungsbetrieb unterbringen zu können .. . Die ganze Zeit über mußten wir

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