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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 489
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auch die ehemalige Synagoge als Ausländerlager Verwendung41. Ende
September 1944 ersuchte die Wehrmacht die Stadtverwaltung, in deren Besitz
sich das Gebäude in der Langen Straße befand, dort Kriegsgefangene
internieren zu dürfen. Da weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu diesem
Zeitpunkt weder im Russenlager noch auf der Kronenwiese bestanden, hatten
sich die Ratsherren einverstanden erklärt. Die Firma Drinneberg, die
die ehemaligen Gebetsräume gemietet hatte, konnte als Ersatz die Diensträume
der Wehrmachtseinheit beziehen, die auch für die Umbaukosten
aufkam. Das war allerdings nur als Behelfslösung gedacht, denn für die
Gefangenen sollte eine Baracke beschafft und im Ostarbeiterlager aufgestellt
werden42.

Seit Oktober 1944 hausten in der Synagoge kriegsgefangene Russen und
italienische Militärinternierte. Vermutlich gehörten sie zu einem Instandsetzungskommando
, das der Organisation Todt (OT) unterstand und für die
Reichsbahn arbeitete; ein Major der OT hatte jedenfalls nach Luftangriffen
zerstörte Geleise auf dem Bahngelände inspiziert43. Bei einer Besichtigung
der Synagoge stellte Stadtbauinspektor Stegmaier am 21. Oktober 1944
fest, „...daß durch die Lagerinsassen in der Hauseinfahrt auf das dort liegende
alte Stroh Speisereste, wie Kartoffelschalen und sonstige Abfälle
hingeworfen wurden. Abgesehen davon, daß diese in Fäulnis übergegangenen
Reste einen widerlichen Geruch verbreiten, sollte in hygienischer und
gesundheitlicher Hinsicht dafür Sorge getragen werden, daß diese Reste
sowie das gesamte Überbleibsel aus dem Umbau baldmöglichst beseitigt
werden". Die Verhältnisse wurden immer verheerender: Im April 1945 waren
Zellgewebsentzündungen, Furunkel und ähnliche Erkrankungen so
verbreitet, daß Lagerarzt Dr. Gerber bei der Stadtverwaltung beantragte, einen
Sanitäter in die Synagoge abzuordnen44.

Das Kriegsgefangenen-Kommando der OT hatte wohl nicht die erforderliche
Stärke, um alle Zerstörungen beseitigen zu können. Deshalb brachte
die SS kurz nach dem Angriff vom 27. November 1944 die ersten Häftlinge
nach Offenburg und ließ sie auf dem Betriebsgelände von Stahlbau
Müller, vermutlich auch bei anderen Firmen und auf dem zerstörten
Reichsbahngelände, lebensgefährliche Arbeiten verrichten: „Die Häftlinge
gruben bei uns auf dem Gelände alle Blindgänger aus und räumten sie
weg, mit den bloßen Händen. Die SSer blieben so fünf- bis sechshundert
Meter davon entfernt, damit ihnen nichts passiert, wenn er explodiert. (...)
Was ich da sah, mit den Häftlingen, wie die SS sie da herumprügelte, ohne
Essen, ohne Trinken, Hunger, schwere Arbeit, gefährliche Arbeit, und
dann die SSer da drum. Alles junge Leute, 19, 20 Jahre alt, älter waren sie
nicht"45. Zwei Tage dauerte diese Arbeit, dann verschwanden sie und ihre
Bewacher wieder. An ihrer Stelle kamen bald andere. Die ersten 500 von

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