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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 498
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stelle und wieder zurück. Bei der Arbeit selbst führten die Kapos Aufsicht,
während die SS-Leute sich in einiger Entfernung von der Arbeitsstelle aufhielten100
.

Die Ernährung der Gefangenen bestand morgens aus einem halben Liter
Kaffee, mittags aus einem halben Liter Suppe und abends aus 300 Gramm
Brot und 20 Gramm Margarine. Die Verpflegung war so schlecht und unzureichend
, daß nur diejenigen nicht hungerten, denen es gelang, in der
Bahnkantine Lebensmittel zu besorgen oder sie irgendwo zu stehlen101.

Aber Mundraub war lebensgefährlich: „In Offenburg bin ich Augenzeuge
geworden, wie die SS zwei junge Häftlinge erschoß. Wir litten damals sehr
unter Hunger. Die beiden jungen Männer hatten versucht, aus einem durch
Luftangriffe zerstörten Zug Lebensmittel wegzunehmen. Dabei wurden sie
ertappt. Sie wurden auf der Stelle erschossen"102. Ein anderer Zeuge erinnerte
sich, daß ein SS-Wachmann aus 10 Meter Entfernung einen Häftling
der 10. SS-Baubrigade ins Bein schoß und dieser wenige Tage später verstarb103
.

Die Staatsanwälte der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg
, die die Vorgänge bei der 10. SS-Baubrigade 30 Jahre später untersuchten
, erfuhren durch Zeugenaussagen von acht Fällen von Häftlingstötungen
, mit zwei Ausnahmen wegen Lebensmitteldiebstahl. Da sie jedoch
nicht ausschließen konnten, daß es sich bei den Schilderungen teilweise
um die gleichen Fälle handelte, gingen sie nur von zwei Häftlingstötungen
aus. Die Staatsanwaltschaft Offenburg, die das Ermittlungsverfahren
durchführte, stellte in keinem einzigen Fall eine strafrechtlich verfolgbare
Häftlingstötung fest: die Namen der Täter waren nicht mehr zu ermitteln
gewesen104.

Nach übereinstimmenden Zeugenaussagen kam es bei allen Brigaden immer
wieder zu Mißhandlungen durch Kapos und Bewachungspersonal105.
Auch starben Häftlinge an Erschöpfung, andere wurden krank nach Sachsenhausen
zurückgebracht, wo sie als arbeitsunfähige „Muselmänner"
kaum Überlebenschancen hatten106. Der sichere Tod im Konzentrationslager
erwartete wohl auch die meisten Häftlinge eines Krankentransports,
der am 17. Januar 1945 von der 9. SS-Baubrigade aus Offenburg nach
Sachsenhausen abging107.

Von den zwölf holländischen Häftlingen dieser Brigade kehrten nach dem
Krieg sechs zurück, zwei waren gestorben und vier vermißt. Die toten und
die vermißten Häftlinge waren mit dem Krankentransport zum Konzentrationslager
Sachsenhausen zurückgeschafft worden108. Auch die 10. Bri-

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