Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 505
(PDF, 129 MB)
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zwischen 10 und 11 Uhr ließ die Lagerleitung zwei Kanister Schnaps in
die Stube des Lagerältesten schaffen. Danach brachten SS-Leute auf einem
Karren Äxte und Eisenstangen in den Keller des Häftlingsblocks. Mehrere
Kapos, darunter Lemke und Michels, holten die Häftlinge aus dem Krankenrevier
und schleiften sie an den Füßen in den Keller. Im Kellerflur
mußten sie sich in einer Reihe vor dem Waschraum aufstellen, in den sie
dann einzeln gestoßen wurden. Hier erwarteten sie SS-Leute, Kapos, Lager
- und Blockälteste, die sie der Reihe nach töteten. Manche Häftlinge erhängten
sie an Wasserhähnen, andere warfen sie zu Boden, legten ihnen eine
Stange auf den Hals und stellen sich darauf, wieder andere erschlugen
sie mit Keilhauen. Wer sich wehrte, wurde wie ein Tier totgeschlagen -
viele Leichen waren verstümmelt und blutüberströmt.

Das Massaker muß von Mittag bis gegen 15 oder 16 Uhr gedauert haben,
die Hilferufe und Schmerzensschreie der Opfer hallten die ganze Zeit über
durch den Bau. Mehrere Häftlinge begegneten auf den Treppen betrunkenen
und blutverschmierten SS-Leuten und Kapos. Schreie und Mordgeräusche
alarmierten den Häftling Sigmund Nissenbaum, dessen Vater seit
zwei Tagen im Krankenrevier lag130. Als er ihn nach der Arbeit dort besuchen
wollte, war er verschwunden. Der Arzt gab vor, die Kranken seien
alle ins Offenburger Krankenhaus verlegt worden. „Ein Häftling, der als
Friseur tätig war, klärte mich auf. Die Kranken seien umgebracht worden
und lägen noch im Keller. Ich war so verzweifelt, daß mir alles egal war;
ich stellte die zwei wachhabenden SS-Leute zur Rede und sagte, sie hätten
meinen Vater umgebracht. Daraufhin schleppten sie mich ebenfalls in den
Keller und zeigten mir einen Berg von etwa 40 Leichen, die offensichtlich
mit der Axt erschlagen worden waren. Sie drohten mir, wenn ich noch ein
Wort sagen würde, sei ich als nächster dran. Es war mir nicht möglich,
noch irgend etwas zu tun. Kurz darauf wurden die blutüberströmten
Leichen auf Leiterwagen geworfen und auf den Offenburger Friedhof
transportiert, wo sie am Zaun einfach abgeladen wurden"131. Auf dem
Friedhof war bereits eine Grube ausgehoben, in die Mithäftlinge die
Leichen der 41 Häftlinge warfen, die dem Blutbad zum Opfer gefallen waren
. Um die Spuren zu verwischen, mußten sie die Erde auf der Grube feststampfen132
.

Die Befreiung

Das Massaker in der Ihlenfeld-Kaserne war gewissermaßen die Offenburger
Variante der Todesmärsche, die die Evakuierung anderer Konzentrationslager
begleiteten. Es wurde zwar vom Kommandanten der Baubrigade
angeordnet, aber hauptsächlich von Vorzugshäftlingen ausgeführt. Das

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