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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 556
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Bäckenknecht sein Jawort und bestätigt die Ehe mit oft wiederholtem Beischlaf.
Nach einem Monat jedoch kommen ihm Bedenken, er vertraut sich einem Geistlichen
an. der sofort die wahre Identität der angeblichen Minolanda erkennt. Mit
zwölf bewaffneten Männern lauern sie der Minolanda in des Bäcken Kammer auf
und nehmen sie gefangen, nachdem sie einen der Bewaffneten niedergestochen
und den Bäcken ebenfalls mit einem Messer schwer verwundet hat. Bald darauf
stirbt der Bäckenknecht, nachdem er gebeichtet und kommuniziert hat, in großer
Reu und Leid. Seine Beischläferin, die auf ohngefähr 20 Jahre geschätzt wird und
beim Verhör beinahe eine österreichische Sprache gehabt hat, wird als Zauberin
verbrannt.

Nachdem Springinsfeld diese Geschichte von dem Wirt gehört hat, weiß auch er
sofort, wer diese Minolanda in Wirklichkeit war: keine andere als seine zweite
Frau, die Leierin.

Sie war die Tochter eines blinden Bettlers aus der Steiermark, daher ihre österreichische
Sprache. Springinsfeld hatte sie kennengelernt, als er im Türkenkrieg in
Ungarn verwundet wurde und in der Steiermark seine Verwundung auskurierte.
Sie spielte auf der Leier, um ihren Vater und ihre Geschwister zu ernähren, und
Springinsfeld heiratete sie, weil er dachte, sie würde ein Stab seines Alters sein.
Doch ganz ohne Ehebedingungen ging es schon damals nicht: Er mußte seinem
Schwiegervater in spe versprechen, sich nirgends häuslich niederzulassen, den
Kriegsdienst zu quittieren und seine neue Familie auf ihrer Bettlertour zu begleiten
. Bald schon aber erkannte Springinsfeld, was er sich da eingehandelt hatte.
Nicht nur, daß die Leierin keine Jungfrau mehr war, sie entpuppte sich auch als
rechtes Rabenaas, weit schlimmer noch als sein erstes Eheweib, die Courage. Als
sie dann noch ein unsichtbar machendes Vogelnest fand und dies zu allerlei kriminellen
Handlungen ausnutzte, suchte Springinsfeld sein Heil in der Flucht, indem
er venezianische Kriegsdienste annahm und in Kreta gegen die Türken kämpfte.

Grimmelshausens Minolanda - Bedeutung und Herkunft des Namens habe
ich leider nicht herausfinden können - ist also nichts anderes als eine Betrügerin
, eine Hochstaplerin, die in die Rolle der „Melusinen Schwester
Tochter" schlüpft, um einen armen Bäckenknecht an der Nase herumzuführen
. Und sie spielt ihre Rolle gut: wie Melusine erscheint sie dem
Bäckenknecht an einem Wasser, ergreift die Initiative, indem sie den
Schüchternen anspricht und bei seinem Namen nennt. Außerdem nimmt
auch sie häufig das Wort „Gott" in den Mund, um dem Bäcken alle Angst
zu nehmen. Als neues Motiv kommt die angebliche Verfluchung durch ihre
Mutter hinzu und die damit verbundene Bitte um Erlösung, ein Motiv, das
sich weder in der Melusinensage noch bei Egenolf findet. Dafür aber erscheint
dieses Motiv in zahlreichen Sagen von Wasserfrauen, so auch in
der Sage „Melusine im Stollenwald", auf die ich später noch zu sprechen
kommen werde. Auch die Ehebedingungen hat Minolanda ihren Vorgängerinnen
genau abgeschaut, vor allem das Gebot, „aller anderen Weibsbilder
müßig zu gehen", sowie die Androhung ewiger Rache, falls der Geliebte

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