Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
73. Jahresband.1993
Seite: 563
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Die Sage „Melusine im Stollenwald" erzählt nicht von Peter Diemringer, sondern
vom Sohn des Amtmannes zu Staufenberg, mit Namen Sebald. Dieser trifft beim
Meisenkloben auf dem Gipfel des Stollenberges eine wunderschöne Frau, die sich
ihm als Melusine zu erkennen gibt. An ihren Händen hat sie keine Finger, sondern
eine trichterartige Höhlung, und statt der Füße hat sie einen Schlangenschwanz.
Sie klagt Sebald, daß sie verwünscht sei, und bittet ihn, sie zu erlösen, indem er
ihr an drei Tagen je drei Küsse gibt. Dafür verspricht sie ihm ihre Liebe und einen
großen Schatz. In Ludwig Bechsteins poetischer Fassung hört sich das so an:

Erlöse mich, erlöse mich! -

Nur dreimal dreifach küsse mich! -

Melusine heiß ich,

Himmel-Stollens Tochter bin ich!

Küsse froh zur neunten Stund

Furchtlos Wangen mir und Mund.

Dann soll ich erlöset sein

Und bin mit meinem Brautschatz dein!

Sebald gibt ihr gleich die ersten drei Küsse und kommt auch am nächsten Tag wieder
zu der vereinbarten Stelle. Diesmal aber hat die Melusine Flügel und einen
Drachenschweif; dennoch überwindet Sebald seine Furcht und gibt ihr die drei anderen
Küsse. Am dritten Tag aber hat die Melusine einen Krötenkopf. Da erfaßt
Sebald ein Grauen, er entflieht und läßt die laut klagende Melusine zurück. Daheim
erzählt er alles seinem Vater, der ihn wegen seiner Furchtsamkeit und seinem
Verrat an der Melusine schilt. Die Geschichte seines Sohns und der Melusine aber
läßt er zum ewigen Andenken aufschreiben. Zwei Jahre später tritt Sebald die
Stelle seines Vaters an und heiratet die Tochter des Amtsvogtes. Bei der Hochzeitsfeier
auf Schloß Staufenberg aber öffnet sich die Decke des Saals einen Spalt,
woraus ein Tropfen in Sebalds Teller fällt, der daraufhin tot niedersinkt. Zur gleichen
Zeit sieht man einen kleinen Schlangenschwanz sich in die Decke zurückziehen
. Noch heute, so endet Medicus' Erzählung, sei die Geschichte in Stein
gehauen auf dem Staufenberg zu sehen, womit möglicherweise das bereits
beschriebene Steinwappen gemeint ist.

Vergleicht man nun diese Sage mit Grimmelshausens Erzählung, so fallen
einige Parallelen auf, die man in der Geschichte vom Ritter von Staufenberg
nicht findet. Wie bei Medicus ist auch bei Grimmelshausen der männliche
Partner nicht von Adel, beide begegnen der schönen Frau beim Vogelfang
. In beiden Fällen erwähnt die schöne Frau ihre Herkunft, Himmel-
Stollens Tochter* bzw. der Melusinen Schwester Tochter. Beide sind verwünscht
und bitten den Mann, sie zu erlösen. In beiden Versionen stirbt
der Mann durch die Hand der schönen Frau: Sebald wird vergiftet, der
Bäckenknecht erstochen.

* Die Namensform „Himmel" ist wohl eine falsche Lesart des Namens „Hummel". Als
Ganerben lebten auf Staufenberg sowohl eine Familie Hummel als auch eine Familie Stoll,
nach der die abgegangene Stollenburg und der Stollenberg benannt sind.

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