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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 147
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Übereinstimmungen mit den Ausguß- bzw. Saugtüllen eines verbreiteten
Glasgefäßtypes, den sogenannten Saugfläschchen. Diese Gefäße fanden
vornehmlich bei der künstlichen Säuglingsernährung Verwendung38. Direkte
Vergleiche an Saugfläschchen in den Glassammlungen des Rheinischen
Landesmuseums Trier und dem Frankfurter Museum für Vor- und
Frühgeschichte bestätigten den aus der Literatur gewonnenen Eindruck.
Das Vorhandensein zweier Öffnungen ist ebenfalls eine formal und funktional
notwendige Erscheinung, die bei allen Saugfläschchen zu beobachten
ist. Auch die Größe und vor allem das davon abhängige Fassungsvermögen
des Baden-Badener Glasgefäßes ist mit den Saugfläschchen vergleichbar
.

Der Erhaltungsgrad des Baden-Badener Stückes ist auf die Gesamtproportion
des Gefäßes bezogen mit etwa fünfundzwanzig Prozent anzunehmen.
Daraus ergibt sich für das Gefäß eine zu erwartende Gesamtlänge von etwa
11 bis 12 cm, wobei für den Gefäßkörper ein Anteil von etwa 7 cm vorauszusetzen
ist. Das Gefäß liegt damit innerhalb der für Saugfläschchen
bekannten Größenordnung. Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Funktionsbeurteilung
bildet das Fassungsvermögen des Gefäßes. Das Fragment
faßt im vorliegenden Erhaltungszustand noch genau 15 ml, auf das ganze
Gefäß hochgerechnet ergibt sich ein Volumen von etwa 60 ml. Diese Menge
entspricht, nach den Ergebnissen der vom Verfasser vorgenommenen
Inhaltsmessungen an Saugfläschchen, einem Maß, das durchaus als gebräuchlich
zu bezeichnen ist39.

Soweit zu den Vergleichen innerhalb des archäologischen Materials. Die
Anforderungen, die man in der Antike an den Gefäßtyp der Saugflaschen
stellte, sind uns glücklicherweise überliefert. Der Arzt und Gynäkologe
Soranus von Ephesus skizziert in seinem medizinischen Werk „Über die
Frauenleiden" in einem kleinen Absatz auch die künstliche Säuglingsernährung
. Dabei nennt er neben zwei antiken Namen (titina und ubuppa)
auch die formalen Eigenschaften einer Babysaugflasche: „Quid ei (infanti)
bibere dabimus? Aliquando aquam aliquando vinum aquatius per vascu-
lum vitreum ad similitudinem pupillae formatum et pertusum, quod rustici
ubuppam apellant aut titinam"40. Das Baden-Badener Glastier erfüllt alle
von Soranus genannten Anforderungen, es ist klein und aus Glas (vascu-
lum vitreum) und die Schnauze ist ähnlich einer Brustwarze gebildet
(ad similitudinem papillae formatum) und zudem durchbohrt (pertusum).

Die Erkenntnisse aus den dargelegten Vergleichen und Untersuchungen erlauben
es, das Baden-Badener Glasgefäß im Sinne des Soranus funktional
als „titina" oder „ubuppa" anzusprechen. Damit ist für die zoomorphen
Glasgefäße neben der Verwendung als Unguentarien und reinen Zierobjek-

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