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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 150
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Exkurs

Römische Säuglingstrinkgefäße -
Betrachtungen zur Funktion eines Gefäßtypes

Die künstliche Säuglingsernährung wird man für die Antike stets als Notlösung
ansehen müssen. Die Notwendigkeit einer solchen Ernährungsform
ergab sich aber doch von Fall zu Fall. Der Arzt Soranus von Ephesus beurteilt
in seiner Schrift „Gynäkologie"43 die Milch der Mutter für den Zeitraum
der ersten zwanzig Tage nach der Geburt als unbrauchbar, da sie seiner
Ansicht nach dick, käsig und schwer verdaulich ist. Damit das Kind
aber keinen Schaden davonträgt, soll es von einer Amme versorgt werden.
Erst für den Fall, daß keine Amme zur Verfügung steht, sollte der Säugling
nach seinen Empfehlungen mit Honig, der gegebenenfalls auch mit Ziegenmilch
vermischt sein durfte, gefüttert werden.

Die künstliche Säuglingsernährung war im antiken Verständnis demnach
ein Vorgang, den es erst anzuwenden galt, wenn alle anderen Möglichkeiten
ausgeschöpft waren. Mußte der Säugling künstlich ernährt werden,
geschah dies mit einem eigens für diesen Zweck hergestellten Gefäß, der
titina oder ubuppa44. Aus dem archäologisch bekannten Material wird für
diese titina oder ubuppa ein Gefäßtyp herangezogen45, der in unterschiedlichen
Ausformungen vorliegt, aber stets mit einer seitlich angebrachen
Tülle versehen ist. Diese Saugflaschen existieren in ähnlicher Ausführung
aus Keramik und Glas. Eine umfassende Bearbeitung erfuhr dieser Gefäßtyp
bislang noch nicht, seine Funktion ist vielleicht deshalb in der Forschung
nicht ganz unumstritten, obwohl sich die Argumente zugunsten der
Saugflaschentheorie beständig mehren. Anton Kisa46 nennt die Sauggefäße
in seiner Arbeit über das „Glas im Altertume" Infundibula47 und erklärt sie
als Saugfläschchen für Kinder. Diese Interpretation erfuhr in der Folgezeit
unter Hinweis auf die Gefährlichkeit und die unpraktische Handhabung
verschiedentlich Ablehnung48. E. Welker beschritt in ihrer Arbeit über die
Heddernheimer Glasfunde49 zur Klärung dieser Frage einen methodisch
sinnvollen Weg, indem sie Gräber50 mit Saugflaschenbeigabe zusammenstellte
, die aufgrund der Fundbeobachtung Aussagen über die bestatteten
Personen zuließen. Nach ihren Ergebnissen treten diese Flaschen nur in
Kinder- und Frauengräbern als Beigaben auf. Die von E. Welker begonnene
Liste ist fortführbar51, wenngleich auch viele Grabfunde mit Saugflaschenbeigabe
leider nicht zu verwerten sind, da für sie beispielsweise
keine Leichenbrandanalysen vorliegen52. Bisher wurde derartigen Fundzusammenhängen
leider wenig Beachtung geschenkt. Neben der rein archäologischen
Funktionsinterpretation der Saugflaschen sind mittlerweile auch
naturwissenschaftliche Untersuchungen verfügbar. Mittels Gaschromato-

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