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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 187
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anzuhören, konnte das RKG zur Gefahrenabwehr sog. Mandate „sine clausula
iustificatoria" erlassen, wenn das Verhalten des Beklagten „von rechts
oder gewonheyt wegen verbotten" war oder „on eyniche weiter erkantnuß
für straffwürdig oder unrechtmessig zu halten [war], oder daß dardurch
dem anruffenden theyl eyn sollich beschwerd aufgelegt und zugefügt würde
, die nach begangner that nit widerzubringen" wäre62. Zumindest auf
diese letzte Zuständigkeitsbegründung konnte sich der Kläger berufen. In
der Tat drohten unwiederbringliche Schäden, wenn Barbara Pfäffinger
rechtswidrig gefoltert und anschließend hingerichtet würde. Das RKG sah
die Voraussetzungen eines Mandatsprozesses als gegeben an und erkannte
zugunsten der Gefangenen das beantragte Mandat.

Die Akte des Mandatsprozesses Clossner/Offenburg ist leider im 19. Jahrhundert
verlorengegangen. Der Wetzlarer Jurist Paul Wigand63 konnte „die
voluminösen beim Kammergericht verhandelten Akten"64 für einen Aufsatz
über das RKG und die Hexenprozesse 1851 aber noch nutzen. Durch
seine Darstellung sind wir über den Inhalt des Mandats unterrichtet. Demnach
befahl RKG den Beklagten, „sofort die Kinder und Verwandte, auch
Advokaten, Notarien und dergleichen Personen ungehindert zu der Klägerin
zu lassen, mit keiner Gewalt ferner zu verfahren, und ohne genügsame
Indicien von aller Tortur zu abstrahiren"65. In der Tat war kein Angehöriger
in den Gefängnisturm gelassen worden. Die Inquisitin wurde in strenger
Isolierhaft gehalten. Besuchsmöglichkeiten gab es nicht. Gerade der
persönliche Kontakt zur Inhaftierten war aber eine wesentliche Voraussetzung
dafür, daß überhaupt eine erfolgversprechende Verteidigung stattfinden
konnte. Wohl aus diesem Grunde hatten die RKG-Kläger speziell
die Zulassung von Juristen beantragt. Die Mitwirkung rechtsgelehrter Verteidigung
im Hexenprozeß wurde von den Hexenverfolgern häufig
verboten. Die Skepsis gegenüber Advokaten und Prokuratoren66 tritt im
„Malleus Maleficarum", dem berüchtigten Hexenhammer von 1487, deutlich
zu Tage67. Über die Bedeutung und Einflußmöglichkeiten von Verteidigern
im Hexenprozeß herrscht in der neueren Hexenforschung noch Unklarheit
. Im Gegensatz zur älteren Literatur68 ist man heute jedoch geneigt,
die Rolle von Anwälten auch in Hexenverfahren eher positiv zu würdigen69
. Die Zulassung von Rechtsbeistand zugunsten der inhaftierten Barbara
Pfäffinger war damit zumindest eine der Möglichkeiten, die das RKG
anordnen konnte, um die Offenburger Hexenverfolger von krassen Rechtsverstößen
abzuhalten. Auch das Verbot der Folterung ohne „genügsame
Indizien" sollte die Richter zur Einhaltung der wichtigsten Verfahrensmaximen
zwingen.

Diese Entscheidung des RKG verdient insofern Beachtung, als die Hexenverfolger
davon ausgingen, daß man im Hexenprozeß wegen der Abscheu-

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