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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 196
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Die Gelassenheit des Offenburger Rates war indes unbegründet. Im Gegensatz
zu den Andeutungen des RKG-Prokurators hatte das Reichsgericht
die schwebenden Prozesse nämlich keineswegs zugunsten der Reichsstadt
entschieden. Nur einen Tag nach dem Beschluß, die angeblichen Hexen
hinzurichten, erschien ein Kammerbote beim regierenden Stettmeister Johann
Schmidlin und verkündete ein kammergerichtliches „Urtheill Ihren
Mariae Fehrin Aduocaten vnnd Procuratorn liberum Accessum et Reces-
sum127 zu verstatten"128. Das RKG hatte demnach genauso entschieden
wie 1603 im Fall Clossner-Pfäffinger. Da das Berichtsschreiben nicht zufriedenstellend
beantwortet worden war, erging auf eine neuerliche Supplikation
der Kläger ein Mandat129 gegen die Reichsstadt. Zur Gefangenen
Maria Linderin mußte ein freier Zu- und Abgang gewährleistet werden, die
Isolierhaft war vom RKG also für rechtswidrig erklärt worden. Weshalb
der Prokurator Philipp Seiblin seine Offenburger Mandanten über die Haltung
des RKG zum Hexenprozeß im unklaren gelassen hatte, die er doch
zumindest aus seinen eigenen Erfahrungen im Jahre 1603 kennen mußte,
ist nicht bekannt. Gerade die Ankündigung, das RKG erlaube die geplanten
Hinrichtungen, nimmt sich wie ein Hohn aus angesichts der Tatsache,
daß das Gericht genau zur selben Zeit zugunsten der Gefangenen ein Mandat
erließ. Da Offenburg aber anscheinend gern bereit war, auf die günstigen
Mitteilungen des Prokurators zu vertrauen, muß der Schock für die Reichsstadt
dementsprechend groß gewesen sein. Der verunsicherte Rat beschloß
nach dem „Verläsen, was gestrigs tags (.. .) verkhündt (.. .) daß mahn
solche Urtheil pariren wöll"130. Man solle aber auch „nacher Freiburg und
Hagenowe die Aduocaten beschreib", um erneut Rechtsrat einzuholen.

Volk teilt nun mit, daß Maria Linderin dennoch am 6. Oktober hingerichtet
worden sei131. Damit hätte der Rat höchst rechtswidrig gegen das nur drei
Tage zuvor zugestellte RKG-Mandat132 verstoßen. Daß diese Darstellung
stimmt, erscheint jedoch nahezu ausgeschlossen. Das Ratsprotokoll vom 6.
Oktober enthält zwar tatsächlich drei Todesurteile, diese ergingen allerdings
gegen „Sabina linderin, Ursula Fidlerin unnd Ottilia Trescherin"133.
Die Trescherin, Ehefrau Wilhelm Otts, wurde demnach hingerichtet, obwohl
das RKG zuvor ein Berichtsschreiben erlassen hatte. Da jedoch noch
keine Inhibitio oder gar ein Pönalmandat erkannt worden war, verstieß
diese Hinrichtung nicht direkt gegen eine RKG-Entscheidung134. Anders
wäre es dagegen im Fall Linderin gewesen. Das Ratsprotokoll spricht
jedoch ausdrücklich von „Sabina", nicht von „Maria" Linderin. Es sind
zwar durchaus Fälle bekannt, in denen die Hexenverfolger ihre Opfer einfach
durchnumerierten, so daß es in der Praxis durchaus zu Verwechslungen
kommen konnte135. Ein solcher Fall erscheint hier indes nicht vorzuliegen
. Dafür, daß Maria Linderin dem RKG-Mandat ihr Leben verdankt,
geben die Ratsprotokolle eine Woche später selbst einen eindeutigen Hin-

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