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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 210
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Sulz führte die Reichsstadt die Hexenprozesse nun mit erheblich größerer
Energie als fünf Jahre zuvor. Diesmal wandten sich mehrere Familien an
das RKG, um Hilfe gegen die rechtswidrigen Offenburger Strafprozesse zu
erhalten. Auffällig ist, daß in fast allen Fällen, in denen Offenburger Familien
in Speyer wegen der Hexenprozesse klagten, verwandtschaftliche Beziehungen
nach Straßburg oder zumindest Bekanntschaft zu Straßburger
Juristen bestand. Welche Bedeutung diese Kontakte nach Straßburg für die
Möglichkeit bedeutete, einen RKG-Prozeß zu beginnen oder unbeeinflußt
von der Macht des Offenburger Rates führen zu können, ist nicht bekannt.
Vielleicht war die Klage in Speyer nur für diejenigen Familien praktisch
möglich, die nicht vollständig der reichsstädtischen Gewalt ausgesetzt waren
. Das Beispiel des verhafteten Eberhard Pabst verdeutlicht, welche Gefahr
für Angehörige bestehen konnte, wenn sie ihre als Hexe inhaftierte
Mutter oder Ehefrau zu engagiert verteidigten. Das RKG schritt auch 1608
wieder mehrfach zugunsten der Verfolgten ein. Es verwarf die bei den Hexenrichtern
herrschende Ansicht, in Hexensachen dürfe man, da es sich um
ein „crimen exceptum" handele, die üblicherweise zugunsten der Beschuldigten
bestehenden strafprozessualen Vorschriften außer Kraft setzen.

Stattdessen befahlen die Speyerer Reichsrichter die Aufhebung der Isolierhaft
, die Gewährleistung effektiver Verteidigungsmöglichkeiten, untersagten
Folterungen ohne ausreichende Indizien und erklärte sogar die Verhaftung
der Gefangenen in ungesunden Kerkern für rechtswidrig. Da sich die
Offenburger Verfolger vielfältiger Verstöße gegen die Prozeßnormen der
„Carolina" schuldig gemacht hatten, intervenierte das RKG immer wieder,
bis sich schließlich der Offenburger Rat im Herbst 1608 fast täglich mit
den RKG-Klagen wegen der Hexeninquisition beschäftigen mußte. Hilfe
erhofften sich die Offenburger in dieser Situation vom RHR. Dort beschwerte
sich der Offenburger Rat über die zu lasche Haltung des Kammergerichts
. Eine Reaktion des RHR hierauf ist nicht bekannt, wird wohl
wegen der Unzulässigkeit der Klage auch gar nicht erfolgt sein. Wenn die
Offenburger Hexenprozesse Ende 1608 wieder endeten, so ist auch dies
der intensiven Überwachung des Prozeßgeschehens durch das RKG zu
verdanken.

Sowohl 1603 als auch 1608 kam jedoch diejenige Person, zu deren Gunsten
ein RKG-Prozeß angestrengt worden war - Barbara Pfäffinger bzw.
Anna Maria Hofmann -, nicht frei. Der Grund hierfür ist möglicherweise
in der Furcht des Rates begründet, die Unrechtmäßigkeit der Hexenprozesse
durch die Freilassungen zuzugeben, deswegen die RKG-Prozesse zu
verlieren und mit der Tragung der Speyerer Prozeßkosten belastet zu werden232
. Um den Unannehmlichkeiten weiterer RKG-Prozesse zu entgehen,
wurden zumindest aber keine neuen Hexenprozesse begonnen.

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