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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 291
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die der Klosterschule angegliedert war. Der Besuch dieser Elementarschule
war kostenlos und stand allen Ottersweirer Mädchen offen. Damit verfügte
die Gemeinde über eine spezielle Mädchenschule, was zu jener Zeit ausgesprochen
selten war. Ihre Wirkung auf das gesamte Dorf kann man sich
nicht groß genug vorstellen. Vor allem die Tatsache des kostenlosen Schulbesuchs
wird die Akzeptanz der Mädchenschule in Ottersweier sicherlich
gefördert haben. In Zeiten extremer Bargeldknappheit wird es manchem
Ottersweirer schwer gefallen sein, die für den Besuch der Volksschule im
Dorf im Vierteljahr fälligen 20 Kreuzer Schulgeld zu berappen. Mit der
Einführung der unentgeltlichen weiblichen Elementarschule fiel eine Belastung
weg, über deren Sinn in den Ottersweirer Wirtsstuben zweifelsohne
oftmals lamentiert worden ist. Mädchen und Bildung war auch in jenen
Zeiten ein Begriffspaar, das wenig gemein hatte. Indem sie dies änderte,
hat Maria Viktoria durchaus emanzipatorisch gewirkt, hat sie Standards geschaffen
, die lange nachwirken sollten. Sicherlich, was den Inhalt der Ausbildung
anbelangte, bewegte sich die Klosterschule durchaus im konventionellen
und traditionellen Rahmen, waren ihre Lehrinhalte keineswegs
fortschrittlich, sondern entsprachen im Sprachgebrauch der Zeit voll und
ganz der Wesensbestimmung der Frau als Hausfrau und Mutter. Die Einübung
häuslicher Fertigkeiten, die Erziehung der Mädchen im streng
katholischen Sinne, aber auch die Vermittlung elementarer Grundkenntnisse
im Lesen und Schreiben, bestimmten den Tagesablauf der Schülerinnen
. Doch allein dies hob die Schülerinnen der Klosterschule über die
anonyme Masse ihrer Altersgenossinnen deutlich hinaus. Denn der große
Rest waren und blieben bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Analphabeten.
Bildung wiederum, auch in ihrer rudimentärsten Form, ist wesensnotwendige
Voraussetzung für jeden persönlichen und damit im übertragenen Sinne
auch gesellschaftlichen Fortschritt. Auch wenn keine direkte Linie von
den Schulstiftungen der Markgräfin zur modernen Elementarschule unserer
Zeit führt, muß Maria Viktoria als eine der geistigen Wegbereiter des
modernen Bildungswesens in Baden angesehen werden.

„Nichts ist so volkstümlich wie das Gutsein", diese Erkenntnis des französischen
Königs Heinrich IV. traf auch und uneingeschränkt auf Maria Viktoria
zu. Darin, im Einsatz für die Schwachen der Gesellschaft, ist sie auch
heute noch Vorbild, oder sollte es zumindest sein. Als sie am 13. April
1793 in der Stadt Straßburg, in der sie seit 1784 lebte, verschied, war ihre
Person und ihr Schicksal sicherlich den wenigsten bekannt; ihr fürsorgliches
Wirken, ihre generösen Zuwendungen, ihr karitatives Leben, mit anderen
Worten ihr „Gutsein", prägten allerdings ihren Ruf und ließen den
Trauerzug von Straßburg nach Baden-Baden, ihrer letzten Ruhestätte, zu
einer machtvollen Demonstration der Verbundenheit des badischen Landvolkes
mit seiner Markgräfin werden12.

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