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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 334
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Köhler und Flößer

Ein physiognomischer Versuch

Johannes Werner

Jedes Handwerk hat einst seine eigenen
professionellen Physiognomien herausgebildet.

Walter Benjamin

Wilhelm Hauff hat in seinem Märchen „Das kalte Herz" (das 1826 erschien
und im württembergischen Schwarzwald spielt) den Kontrast schon
ganz scharf herausgearbeitet. Da gibt es zum einen den Köhler, der,
„schwarz und berußt und den Menschen ein Abscheu", damit beschäftigt
war, „die ganze Woche über am rauchenden Meiler zu sitzen", wobei er
„viel Zeit zum Nachdenken über sich und andere" hatte; und dabei
„stimmten die dunkeln Bäume umher und die tiefe Waldesstille sein Herz
zu Tränen und unbewußter Sehnsucht". Und da gibt es zum anderen die,
die in diesen Tagen und Nächten zum „Gegenstand seines Neides" wurden,
nämlich die stolzen Flößer, diese „Holzherren" und „Waldriesen", die an
ein „rauhes, wanderndes Leben gewöhnt" waren. „Ihre Freude ist, auf
ihrem Holz die Ströme hinabzufahren, ihr Leid, am Ufer wieder herauf-
zuwandeln."1

Es ist ein Kontrast zwischen zwei alten Gewerben, die, jedes auf seine Art,
vom Wald lebten und vom Holz, das in ihm wuchs. Und dieser Kontrast
fängt, schon bei Hauff, damit an, daß es den Köhler in der Einzahl und die
Flößer in der Mehrzahl gibt; in der Tat war das eine ein einsames und das
andere ein gemeinsames, geselliges Gewerbe. Schon der Ort, an dem der
Köhler seiner Arbeit nachging, lag in des Waldes tiefsten Gründen, fern
von menschlichen Siedlungen, Straßen und Wegen: nämlich dort, wo das
Holz nicht weggeschafft und mit größerem Gewinn verkauft, sondern allenfalls
in Holzkohle verwandelt werden konnte, deren Wegschaffung immer
noch genug Schwierigkeiten machte.2 Dagegen holten die Flößer das Holz
aus dem Wald und waren auf die Wasserwege angewiesen, und sie fuhren
auf ihnen von den badischen und württembergischen Städtchen bis nach
Holland hinab. Und indem sie so unterwegs waren, wurden sie weltläufig
und weltgewandt, während die Zeitgenossen über ihren Wohnort kaum hinauskamen
- und während der Köhler ganz allein an seinem Meiler saß.

Köhler und Flößer sind freilich nur Beispiele; wofür? Dafür, daß die Berufe
denen, die sie ausübten, einst einmal ein besonderes, bestimmtes, allgemein
bekanntes Gepräge gaben, und dies bis in das gegenwärtige Jahrhundert
hinein. So galt, jeweils aus gutem Grund, der Weber als Sinnierer und

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