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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 384
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präsentative Charakter der Wandelaltäre am Ausgang des Mittelalters vorherrschend
, nach DECKER aber schon von Anfang an. Diese Charakteristik
soll nach B. DECKER einen Beweis des Verfalls der liturgischen
Funktion der Wandelaltäre und der in der Krise stehenden Institution
Kirche liefern. Die Analyse der Werke unseres Künstlers unter dem Aspekt
ihrer Funktionen erweist sich beinahe als ein Gegenbeispiel zu den Beobachtungen
B. DECKERS, die nur einen, wenn auch überzeugenden Aspekt
der Situation des Wandelaltars im Spätmittelalter ans Licht bringen. Die
Werke unseres Malers erweisen sich als eines der Reaktionsphänomäne auf
die Krise des Bildes und den Prestige- und den Glaubwürdigkeitsverlust
der Wandel- bzw. Repräsentationsaltäre im beginnenden 16. Jahrhundert.
Einerseits findet man monochrome, nüchterne Flügelaltäre'9, andererseits
aufsehenerregende retrospektiv eingestellte, beinahe exclusiv repräsentative
Wandelaltäre (s. DECKER) - aber auch, wie in unserem Fall,
Flügelaltäre, die formell die Modernität des von Dürer geprägten Stils der
Zeit für liturgisch/kirchliche Zwecke einspannten. „Modernität" war somit
einer traditionellen Inszenierung des religiösen Bildes und seinen verschiedenen
Funktionen angepaßt: seinen soziopsychologischen, kultisch-liturgischen
, den ortsgebundenen20 oder solchen, wie in unserem Fall, mit einem
erkennbaren historisch-devotionellen Kontext. Im nachhinein kann die
Analyse unserer Altäre, die fast alle Wallfahrts- und Reliquienaltäre waren,
zu der Erkenntnis des noch wenig bekannten Ursprungs des Wandelaltares
beitragen: auch hier Liturgie im Dienst der Reliquienverehrung21. Die Kirche
am Ende des 15. Jahrhunderts hatte nicht nur auf die Überlieferung
zurückgegriffen, sondern vielleicht auch diese wiederbeleben wollen durch
die Rolle, die sie den Reliquien oder auch der liturgischen/sakramentalen
Funktion der Altäre verstärkt zuwies, den ganzen Komplex in eine „moderne
" Form einfügend*.

* Die „Krise des Bildes" ist schon anfangs des 15. Jahrhunderts spürbar und zeigt
sich auch in der Kritik an den zu mondänen Bildern und den hochmütigen Auftraggebern
auf den Bildern durch die katholischen Reformatoren während des
ganzen Jahrhunderts. Die individuelle Andacht nahm mit der vermehrten Produktion
von Andachtsbildern gefährlich zu, und die Wandelaltäre sprachen mit ihrer
liturgischen Funktion immer weniger Gläubige an. Dies lief den Wünschen der
Kirche zuwider, und deshalb findet man plötzlich im 16. Jahrhundert Altäre, die
im Stile des frühen 14. Jahrhunderts gemalt sind, im lieblichen Stil der „Schönen
Madonnen", der am besten mit den Andachtsbildern konkurrieren konnte. Monochrome
Altäre waren katholische Altäre mit unbemalten Außenflügeln, die also,
wenn sie während der Fastenzeit geschlossen waren, keine Darstellung zeigten.
All dies geschah schon vor der Reformation und beweist, daß man sich mit dem
Problem des Bildes und seiner Benutzung auseinandersetzte. Die Protestanten akzeptierten
die liturgisch/kultischen Funktionen der Bilder nicht mehr, da nach der
Bibel auf dem Altartisch kein Bild sein darf.

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