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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 407
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blematisch. Vielleicht erblicken wir sein Selbstbildnis, das eines sanften
jungen Mannes (zu dem im Hintergrund eine Fluchtlinie führt), sowohl auf
dem Tod Mariens als auch auf der Lautenbacher Beschneidung (links hinten
) (Taf. 12). Auf der Müllenheimer Kreuzigung (Abb. 4) findet man dasselbe
Gesicht in der Person des Helfers des blinden Longinus und auf der
Heiligen Sippe in dem eleganten, diskreten Ehemann Annas (in der Mitte)
(Taf. 4). Auf diesen Bildern (Tod Mariens, Beschneidung (Taf. 12), Heilige
Sippe) ist die Männerfigur der einzige unter den dargestellten Anwesenden
, der aus dem Bild zum Zuschauer hinausschaut42, während alle übrigen
auf das Geschehen konzentriert bleiben. Dies ist charakteristisch für
Malerselbstbildnisse auf spätmittelalterlichen Gemälden. Unser Maler hat
sich mit einer biblischen Persönlichkeit identifiziert, oder er steht inmitten
Schaulustiger (Beschneidung). Dies bedeutet eine der Neuheiten bei den
Selbstbildnissen von Malern am Ende des 15. Jahrhunderts43. Ihre Position
im Bild wurde sehr sorgsam vom Künstler selbst bestimmt und legt Zeugnis
ab von seiner eschatologischen Erwartung, seinem Willen, ein bestimmtes
Mysterium zu verherrlichen, ohne daß jemand deshalb daran gedacht
hätte, ihm Hochmut vorzuwerfen. Die Position des Selbstbildnisses
erklärt auch den Sinn, den man der Wahl einer Bibelfigur zuschreiben soll,
mit der sich der Maler identifizieren will. Hier ist es ein Apostel oder auch
ein Verwandter der Maria als der unbefleckt Empfangenen, dort ein Helfer
des Longinus - eines Blinden44, dem Jesus das Augenlicht mit dem Blut
seiner Seitenwunde (Zugang zu einem Herzen) schenkt. Gerade diese Wahl
ist unserem Maler gemäß, der sich intensiv mit der symbolischen Perspektive
beschäftigt hat, die Kunst als „Vision des Sakralen" verstand und für
den, als Dürerschüler, das Sehen der würdigste Sinn der menschlichen Natur
war45. Es war das Auge, das in der Kunst jener Zeit eine biblische Bedeutung
besaß46. Außerdem besaß dieses Bild der Kreuzigung, und gerade
der Lanzenstich des Longinus, eine Bedeutung für die Herz-Jesu-Verehrung
und die Entstehung der Kirche (heiliges Dreieck).

Wenn die Kunst des Lautenbacher Malers nicht geheimnisvoll sein will,
will sie mindestens von einem Geheimnis Zeugnis ablegen, das sich unter
anderem im Paradox des Nah und Fern offenbart. Die Wirklichkeit als solche
wird erfaßt, ein feiner poetischer Strich modelliert sie mittels einer
herausragenden Technik. Seine Kunst suggeriert den Eindruck der Nähe
dadurch, daß alles in einem intimen Zusammenhang steht, in der augenblicklichen
Bewegung ergriffen, lebendig und natürlich erscheint. Sie führt
zugleich den Blick in die Ferne (Taf. 6, 10), denn über den Anschein der
Ungezwungenheit und der Anmut hinweg soll der Gläubige bis zu dem
rational fundierten Grund dieser Harmonie gelangen. Er soll eine „Lektüre
" des Bildes oder Altares vornehmen und die geometrische Konstruktion
entziffern, die oftmals den symbolischen und kultischen Schlüssel der

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