Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 462
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Ursprünge und Geschichte des Totentanzes

Die Beschäftigung mit dem Tod ist so alt wie das menschliche Denken.
Jede menschliche Kultur hatte und hat ihre eigenen Erfahrungen mit dem
Tod und pflegte den Umgang mit den Toten auf ihre Art. Selbst in unserer
oft oberflächlichen westlichen Zivilisation, die die Gedanken an den Tod
lange verdrängte und das Sterben hilflos in die Anonymität verschob, ist in
letzter Zeit ein vorsichtiges Umdenken zu spüren. Vereinfachend kann man
wohl sagen, daß in unserem Kulturkreis in der Antike dem Sterben eher
ausgewichen wurde, der Tod verharmlosend und geschönt als Bruder des
Schlafes gesehen wurde.

Mit dem Aufkommen des Christentums ändert sich die Betrachtungsweise
grundlegend. Erst durch den Menschen sind Sünde und Tod in die Welt gekommen
(Römer 5/12). Mit dem Tod als Strafe für die Sünde, mit der Drohung
des letzten Gerichts und mit dem Symbol des Kreuzigungstodes als
Erlösung und Beginn des wahren Lebens, gewinnt die christliche Todesdidaktik
für das Fühlen und Denken der Menschen im späten Mittelalter
ganz besondere Bedeutung. Der eher freundlichen Bewertung des Todes in
der Antike und wieder im 19. Jahrhundert (Freund und Gevatter Tod) steht
im Mittelalter der selbstherrliche, grausame, richtende Tod gegenüber, dem
nur der Glaube seinen Schrecken nehmen kann. Augustinus setzt Tod und
Teufel gleich. Die künstlerische Darstellung zeigt den Tod als Schnitter mit
Sichel und Sense (rasche Vergänglichkeit), als Jäger oder Fallensteller mit
Bogen oder Netz (Banden der Hölle), als Reiter (vier Reiter der Apokalypse
), als Spielmann mit Trommel, Pfeife usw. (verlockender Tod wie in der
Sage vom Rattenfänger von Hameln aus dem 13. oder 14. Jahrhundert),
mit Augenbinde (Symbol für das blinde Wüten) oder in alltäglicher Nähe
als Totengräber mit Pickel und Schaufel (er besiegt und begräbt sie alle).
Gleicht in Anlehnung an die Antike der Tod anfangs noch einem Lebenden
, so nähert sich das Bild ab etwa dem 13. Jahrhundert der grausamen
Realität. Tod und Tote sind teilweise mumifiziert dargestellt mit schlaffer,
fetziger Haut über spitzen Knochen, mit aufgeplatzten oder aufgeschlitzten
Bäuchen und herausquellenden Eingeweiden, mit von Würmern und
Schlangen durchsetzten Leibern.

Mit dem Beginn der Gotik verändert sich die strenge mittelalterliche Gesellschaftsstruktur
, die soziale Ordnung beginnt aufzubrechen, sittliche
Ideale verblassen, mit ansteigender Geldwirtschaft verschieben sich Wertsetzungen
, die kirchliche Ordnung lockert auf, und die Bauern proben den
Aufstand. In dieser harten, oft grausamen Welt mit hohen Standesunterschieden
, großer Macht einerseits und ausbeuterischer Leibeigenschaft andererseits
, extremem Reichtum und bitterster Armut, ist der Tod der unbe-

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