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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 463
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stechliche, gerechte Gleichmacher, der zwar alle Not, aber auch alle Freuden
beendet, der den Menschen auch von einem Augenblick zum anderen
(in ictu oculi) oft in jungem Lebensalter überfällt, ohne ihm Zeit für Buße
und Bekehrung zu lassen und ihn damit dem Höllenfeuer ausliefert. Dieses
Gesamtumfeld bildet wohl den Boden für die formale Gestaltung des Totentanzes
.

Gewichtiges auslösendes Moment sind ohne Zweifel die verheerenden
Pestepidemien, die sich, 1348 von Sizilien ausgehend, in wiederholenden
Wellen über Europa ausbreiten und in einem schrecklichen Ausmaß Not
und Tod verbreiten. In einem kollektiven Gefühl panischer, grauenhafter
Angst vor Krankheit, Tod und Verdammnis öffnen sich Menschen bereitwillig
kirchlichen Mahnungen und Bußpredigten.

Die schon im frühen Christentum im Angesicht des Todes geübte mahnende
Bußpredigt ist wohl das wichtigste Motiv für die Entstehung des
Totentanzes. Im Frankreich des 12. Jahrhunderts erscheint die Bußpredigt
als Literaturgattung, noch überwiegend in lateinischer Sprache. Die älteste
deutschsprachige Quelle ist eine Bußschrift in einer Mischung von
lateinischen und deutschen Textanteilen in einem Heidelberger Sammelcodex
(Cod. pal. germ. 314), die etwa 1445 aus einer älteren, vermutlich
nur lateinischen, allerdings illustrierten Handschrift kopiert wurde (Text
bei Hammerstein 1980). Am Beginn und Ende der Handschrift stehen
Predigertexte, dazwischen sprechen 24 Ständevertreter. Die Ständefolge
entspricht also schon der Reihung in den Totentänzen, es fehlen aber die
Aufforderungen des Todes, da die Verse der Ständevertreter Monologe
sind.

Die ständische Folge ist auch in den französischen Vado-mori-Gedichten
des 13. Jahrhunderts zu finden. Durch die monotone Wiederholung des
Vado-mori (Ich werde sterben) zu Beginn und Ende jeden Zweizeilers,
entsteht eine Trommelschlägen gleichende, eindrücklich suggestive Wirkung
.

Eine mehr ungeordnete Form der Bußschrift mit sich wiederholenden
Textanteilen sind die oft vielen Strophen der Legende von den drei Lebenden
und den drei Toten (Abb. 5). Die wahrscheinlich aus dem Orient stammende
Legende taucht erstmals in einer italienischen Handschrift des 12.
Jahrhunderts aus Ferrara auf. Drei junge Könige begegnen den drei, sich
aus den Gräbern erhebenden Leichen ihrer Väter, die sie an die Vergänglichkeit
des Lebens erinnern. Die bildnerische Umsetzung der Legende
wird in christlichen Kirchen übernommen und mit der auch heute noch oft
zitierten Aussage versehen: „Quod fuimus estis, quod sumus eritis" (was

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