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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 465
(PDF, 147 MB)
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wir waren, seid ihr, was wir sind, werdet ihr sein). Die ursprünglichen umfangreicheren
, in Rollenform gesprochenen Texte sind vermutlich nur als
indirekte Quelle für den Totentanz zu sehen, obwohl sie immer wieder als
wesentliches Gestaltungselement beschrieben werden.

Ähnliches gilt wahrscheinlich auch für die schon aus dem Altertum stammende
, im 12. Jahrhundert wiederbelebte Memento-mori-Literatur (Gedenke
des Todes). Die Autoren hadern und argumentieren, setzen sich in
Rede und Gegenrede mit dem unerbittlichen, oft selbstherrlichen Tod auseinander
. Bekanntestes Beispiel ist „Der Ackermann aus Böhmen", den der
Stadtschreiber zu Saaz in Böhmen etwa 1401 verfaßt. Nach dem Verlust
seiner Frau im Kindbett führt er mit dem Tod ein langes Streitgespräch, in
dem er schließlich - Gott vermittelt als Richter - den Tod doch als gerecht
akzeptiert.

Die erwähnten, zunächst nur literarischen, zeitlich oft weit zurückreichenden
Darstellungen werden wohl unter den beängstigenden Eindrücken der
entsetzlichen Pestseuchen und grausamen Kriege mit Bildfolgen ergänzt
und erläutert, um auch des Lesens unkundige Bevölkerungsschichten zu
erreichen. Als Vorbild für diese Bildunterlegung könnten auch die um
1250 auftauchenden Armenbibeln gedient haben, die in der Verbindung
kurzer Texte mit Bildern zunächst nur der im Lesen und Schreiben weniger
versierten niedrigen Geistlichkeit helfen sollen. In diesen Bibeln erläutern
gereimte Tituli, meist Hexameter, den Bildinhalt. Die ursprünglich nur in
Latein abgefaßte Biblia pauperum konnte, wie später auch die Totentänze,
als volkssprachliche Bilderschrift wesentlich größere Bevölkerungskreise
erreichen als Skulpturen, Wand- und Glasmalereien.

Die bildnerischen Wurzeln des Totentanzes sind Darstellungen des jüngsten
Gerichtes, in denen Engel die Gesegneten zum Himmel, der Teufel die
Verdammten ins ewige Feuer führt. Der Zug der oft aneinander gefesselten
oder geketteten Verdammten, bisweilen auch schon in einer gewissen Ständefolge
, erhält entsprechend der augustinischen Gleichsetzung: „mors-
diabolus" den Tod als Führer. So folgen auch noch in den früheren Totentanzdarstellungen
die Lebenden einander an den Händen fassend gruppenweise
dem Tod. In der späteren kontinuierlichen, paarigen Ordnung Toter-
Lebender sieht man die Gerippe als Gehilfen des mächtigen Triumphators
Tod an (Abb. 6). Erst unter den Zwängen des neu erfundenen Buchdrucks
löst sich die Folge in einzelnen Szenen auf, so daß auf einem Blatt meistens
nur noch jeweils ein Paar erscheint.

„Wo Wort und Bild zu einer untrennbaren Einheit zusammenflössen" beginnt
der Totentanz (Rosenfeld 1954).

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