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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 466
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Mit dem schon in der Memento-mori-Literatur erkennbaren, im 15. Jahrhundert
zunehmenden Aufbegehren gegen die Selbstverständlichkeit des
Todes als Strafe für die Erbsünde beginnt auch in der Kirche eine kritische
Auseinandersetzung. Vor allem die Predigerorden der Dominikaner und
Franziskaner mahnen die Menschen in Bußpredigten und sorgen für die
Verbreitung der Bußliteratur. Da in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts auch
eine Rückbesinnung der Orden auf die ursprünglichen Ordensideale beginnt
, mischen sich in die Bußpredigten zunehmend sozialkritische Elemente
, die Machtmißbrauch und Verschwendungssucht kirchlicher und
weltlicher Würdenträger anprangern. Wie die Texte und die Reihung in
den Totentänzen zeigen, soll die Mahnung zwar bevorzugt den hohen Klerus
erreichen, aber auch durchaus in einem gewissen Wohlstand lebende
bürgerliche Kreise oder selbst am Rand der Gesellschaft Vegetierende wie
den Bettler und Blinden. Selbst höchste Würdenträger wie Papst und Kardinal
, Kaiser und König zwingt der Tod zum letzten Tanz: „Sagt ja, sagt
nein, getanzt muß sein", immer kombiniert mit der Mahnung aus dem
oberdeutschen achtzeiligen Totentanz:

„Wer adlig ist und mächtig,
wer reich ist oder schön,
erheb sich drum nicht über andre,
wir alle werden diesen gleich"

Warum der eher ausgelassene fröhliche Tanz als Gestaltungsmoment in die
mahnende Botschaft übernommen wird, ist noch nicht klar. Nicht ausschließen
läßt sich, daß der alte Volksglaube von den zu bestimmten Zeiten
aus den Gräbern aufstehenden und auf dem Kirchhof tanzenden Toten eine
Rolle spielt. Ohne Zweifel ist der Tanz aber als ironisches Moment und als
soziale Kritik zu sehen, denn er ist das von den Kirchen als teuflisch gebranntmarkte
, billige, oft derbe Vergnügen der einfachen Bevölkerung, der
Narren und Hexen. Auf die Aufforderung des Todes zum Tanz antworten
deswegen auch besonders die hohen Würdenträger mit Abwehr und Abscheu
. Sie, die im Leben gemessen daherschritten, müssen jetzt in lächerlichen
ungeordneten Sprüngen hüpfen.

Unter den geschilderten Einflüssen entsteht ein fast klassisch zu bezeichnendes
Schema des Totentanzes, an dessen Beginn fast immer ein Kanzelprediger
die Lebenden an den bevorstehenden Tod erinnert und zur Buße
aufruft. Die einem meist links stehenden Beinhaus (Ossarium) zustrebenden
Paare werden von Gerippen empfangen, die mit Instrumenten zum
Tanz aufspielen. Streng nach ständischer und sozialer Ordnung sind die
Gruppen aufgereiht, beginnend mit dem Papst und Kaiser, endend mit dem
Bettler und Maler des Bildes, der als letzter den Pinsel aus der Hand legt.

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