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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 489
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0489
Goebbels als Märchenerzähler

Die Berichte zeigen die zunehmende Nervosität und Skepsis. Der Schlachtenlärm
kommt näher - die nationalsozialistischen Politiker werden unbeliebter
und immer weniger glaubwürdig. Statt dessen glaubt man militärischen
Führern, vor allem wenn sie Greuel der Bolschewisten ausmalen.
Aber nicht zuviel! Das wird dann „als Greuel-Propaganda bzw. als Angst-
Propaganda bezeichnet". Die Geräte werden abgestellt „und Frauen erklärten
, daß ihnen übel werde" (Offenburg, 9. März).

Die Militärs Remer42 und Rudel43 liegen bei Kriegsende in der Gunst des
Publikums ganz vorn, und diese Namen sind uns ja bis heute bekannt. Von
den Parteirednern wird lediglich der schlesische Gauleiter Hanke44 akzeptiert
, jedoch unter Vorbehalt. Mitunter wird den Militärs die Untermenschen
- und Tier-Terminologie übelgenommen, wie ein Bericht aus Villingen
vom 7. März zeigt:

„Der Aufruf von Guderian45 wird deswegen besonders kritisiert, weil er in der
gleichen Rede, in der er sich über Ausdrücke wie faschistisches Getier' und
,hitlerische Menschenfresser' beschwert, selbst aber von der ,blutbefleckten Pranke
der bolschewistischen Bestie' spricht. Gerade solche Beispiele erschüttern den
Glauben der Vg46 an der (?) inneren Wahrhaftigkeit unserer Propaganda, die für
sich bedenkenlos in Anspruch nehmen, was sie beim Gegner aufs schärfste verurteilen
.

Die überwiegende Mehrheit der Vg beurteilt die Lage nicht nur als kritisch,
sondern als hoffnungslos. ,An den Sieg glauben nur noch Narren oder Phantasten,
oder hält es jemand heute noch für möglich, daß wir noch Moskau und London erobern
und erst dann zum Endkampf gegen Amerika antreten?' (Feldwebel)"

Aus den Berichten ist nicht ersichtlich, ob diese Hellsichtigkeit noch als
„Defätismus" verfolgt wurde. Die enge Zusammenarbeit der beobachtenden
Stelle (SD) mit der Verfolgungsinstanz (Gestapo) wurde im „Urteil
von Nürnberg" dargestellt47. Aber die Verfolgung stößt an Grenzen, wenn
die Ablehnung im Volk überwiegt, wie aus Rastatt am 8. März berichtet
wird:

„Über die Rede von Dr. Goebbels sind so gut wie keine zustimmenden Äußerungen
zu hören. Es ist im Gegenteil festzustellen, daß der Minister mehr gehaßt als
geschätzt wird. Er wird als Märchenerzähler abgelehnt. Es wird daran erinnert,
daß er vor nicht langer Zeit von den Pfändern gesprochen hat, die wir in Besitz
hatten. Gerade mit Beziehung darauf sind, auch von Pg., Äußerungen zu hören,
wie ,damals hätten wir Frieden suchen sollen. Noch besser wäre es gewesen, wir
hätten den Krieg garnicht angefangen, vor allem nicht mit Rußland und Amerika.
(...)' (Pg, Angestellter)".

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