Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 560
(PDF, 147 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0560
riat ebenfalls Meldung. Auch in diesen Fällen läßt sich beobachten, daß die
Zahl von Vergewaltigungen von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt verschieden
war. Auffällig erscheint die fast ausschließliche Erwähnung von Übergriffen
schwarzer Truppenangehöriger. Ohne diese schrecklichen Vorkommnisse
zu verharmlosen oder ableugnen zu wollen, darf in diesem
Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, daß die nationalsozialistische
Propaganda in den Monaten vor dem Einmarsch der Franzosen deren
Soldaten als abstoßende Afrikaner beschrieben hatte, die „blonde, arische"
Frauen belästigten. Die badische Bevölkerung reagierte deshalb mit Entsetzen
, als nun tatsächlich Algerier, Tunesier und vor allem die grimmigverwegen
aussehenden Berber aus dem marokkanischen Hohen Atlas in
Süddeutschland einzogen.

Kein Zweifel kann darin bestehen, daß die bunt zusammengewürfelte französische
Invasionsarmee sich beim Vormarsch eine Fülle von Übergriffen
und Verbrechen zuschulden kommen ließ. Dies verschaffte ihr, von den sowjetischen
Truppen abgesehen, den schlechtesten Ruf in der deutschen öffentlichen
Meinung jener Zeit.

Konkurrierende Erzählungen

Die konkurrierenden Erzählungen des Kriegsendes repräsentieren einen
Ausschnitt aus verschiedenartigen subjektiven Erfahrungen und Einstellungen
. Dieses kleine Segment aus der historischen Überlieferung der
Regionalgeschichte unterstreicht die Aussage von Gerhard Hirschfeld und
Irina Renz, wonach viele Deutsche, wenn nicht sogar die Mehrheit, das
Ende des Dritten Reichs zunächst keineswegs als Befreiung, sondern
durchaus als Niederlage und Katastrophe empfanden. Nicht nur die Parteigenossen
und Parteigenossinnen und Funktionseliten in Wirtschaft, Staat
und Gesellschaft, auch die vielen Mitläufer und Mitläuferinnen, Opportunisten
und Nutznießer des Systems.

„Aber auch redliche Frauen und Männer sahen - angesichts der unauflöslichen
Dialektik von Niederlage und Zerstörung einerseits und Befreiung
und Neuanfang andererseits - das Ende des Nazi-Regimes vor allem als
Zusammenbruch und Katastrophe."5 Damit erging es ihnen anders als den
Gegnern und Opfern des Nationalsozialismus, die den 8. Mai als Tag der
Befreiung empfanden.

Daß der 8. Mai nach jahrzehntelangen Debatten nun als „Tag der Befreiung
" bezeichnet wird, ist, so Klaus Naumann in der ZEIT vom 3. Februar
1995, „Ausdruck eines kollektiven Lernprozesses. Die Deutschen haben in

560


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0560