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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 589
(PDF, 147 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0589
In den frühen Morgenstunden des 21. April wurde der Ort besetzt. Nach der Besetzung
spielte sich zwei Wochen lang ein trauriges Schauspiel in der Gemeinde
ab. Da Welschensteinach der Kommandantur in Haslach unterstellt war, versuchte
sich nach Angaben des Pfarrers ein 22jähriger Jude als „Ortskommandant". Er
schikanierte die Bevölkerung und bediente sich dabei der Hilfe der ehemaligen
Zwangsarbeiter. Grausamer Höhepunkt dieser Willkürherrschaft war die Ermordung
eines Offenburger Beamten, der sich im Nachbarort aufhielt und auf dem
Friedhof von Welschensteinach erschossen wurde. Der „Kommandant" mußte den
Ort verlassen, nachdem er sich am Eigentum eines Deutschamerikaners vergriffen
hatte. Im Nachhinein stellte sich heraus, daß der „Kommandant" ein ehemaliger
französischer SS-Freiwilliger war, der sich als elsässischer Jude ausgegeben hatte
(Vergl.: Hildenbrand, Manfred. Das mittlere Kinzigtal zur Stunde Null - Kriegsende
und Besatzung 1944/45, in: Die Ottenau, 65/1985, S. 267).
Von diesen schrecklichen Ereignissen geschockt, waren die Einwohner froh, daß
sich bald darauf ein Ortskommandant fand, der sich darum bemühte, die Bevölkerung
vor Übergriffen zu schützen. (20. 7. 1945)

In Wolfach war vor allem der Bahnhof das Ziel der Luftangriffe gegen Ende des
Krieges. Dabei kamen mehrere Personen ums Leben, und einige Häuser wurden
beschädigt. Großen Schaden richtete am 21. April, dem letzten Kriegstag für
Wolfach, die Sprengung der Stadtbrücke durch abziehende deutsche Truppen an.
Am frühen Nachmittag rückten die Franzosen von Schiltach her in Wolfach ein.
Es handelte sich dabei um ein Vorauskommando, das die Lage in der Stadt erkunden
sollte. Am Sonntag, den 22. April, erfolgte die „endgültige Besetzung".
Durch das energische Eingreifen des Pfarrers, „der bei den franz. Offizieren Hilfe
und Unterstützung findet, werden weitere Plünderungen und Vergewaltigungen
besonders auf den Höfen des Kirchspieles verhindert".

Die Parteiführer verließen fluchtartig die Stadt. Der ehemalige Kreisleiter wurde
von seinen eigenen Parteifreunden erschossen, nachdem er die drohende Niederlage
eingestanden hatte. Zu geplanten Partisanenaktionen kam es nicht mehr.
Ein besonders trauriges Kapitel für die Stadt Wolfach bildet die Ermordung von
20 französischen Zivilgefangenen kurz vor der Besetzung der Stadt. Der Pfarrer
schildert ausführlich und ergreifend das Schicksal dieser Gefangenen.
Unter den Gefangenen befanden sich auch zwei Geistliche aus dem Elsaß, zu einem
konnte der Wolfacher Pfarrer Kontakt aufnehmen. Dieser wurde am 29. März
1945 freigelassen und fand beim hiesigen Pfarrer Unterkunft. Doch das Schicksal
der Häftlinge blieb ungewiß.

Sie wurden am 17. April 1945 mit Waffengewalt aus dem Gefängnis abgeholt und
wohl am selben Tag von SS- oder Gestapo-Leuten ermordet. Erst nach der Besetzung
und dem Abzug der deutschen Truppen konnte nach dem Verbleib der
Gefangenen gesucht werden. In einem Tannenwald nahe der Stadt fand man die
Gräber der Ermordeten. Zum Ausgraben der Leichen wurden ehemalige Nationalsozialisten
herangezogen. Der freigelassene Geistliche setzte sich beim französischen
Truppenkommandanten für die Schonung der Bevölkerung ein, die nichts
mit der Ermordung der Gefangenen zu tun gehabt hatte.

Als Zeichen ihrer Betroffenheit nahm die Bevölkerung unaufgefordert an der Beisetzung
der zwanzig Opfer auf dem Wolfacher Friedhof teil. (10. 11. 1945)

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