Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 605
(PDF, 147 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0605
Ein Ende mit Schrecken

Aufzeichnungen des Oppenauer Bürgers Adolf Bruder

Als ich diese Zeilen zu schreiben beschloß, war es Winter. Der erste Nachkriegswinter
(1945/46) nach dem furchtbaren Zusammenbruch Deutschlands. Nichts
Eigenes mehr ist uns geblieben: außer Luft u. Wasser haben unsere Besieger uns
buchstäblich alles enteignet u. großenteils weggenommen: Herren- u. Frauenkleider
, Bett-, Tisch- u. Leibwäsche, Schuhe u. Hüte, Tisch u. Stühle, Betten u.
Schränke, Geschirr u. Glas, Herd, Haus u. Wohnung, Gold u. Silber, Uhren,
Radio, Näh- u. Schreibmaschinen, Füllfederhalter, Photoapparate, Ferngläser,
ferner Maschinen, ganze Fabrikeinrichtungen, Rohstoffe, Leder u. Fertigwaren
u. als Schlimmstes für unser Zuschußgebiet - Lebensmittel: Milch, Butter. Fett,
Fleisch, Zucker, Obst, Gemüse, Wein usw., so daß bittere Not u. Krankheit in
den meisten Familien eingekehrt ist. Eigentum u. Recht wird dem deutschen
Volke nicht mehr zuerkannt, ja auch die Ehre wird ihm abgesprochen, u. schlimmer
als Sklaven werden wir auf alle erdenkliche Art gedemütigt. Mit allen selbst
den teuflischsten Mitteln werden die ehrlichsten u. opfervollsten Bestrebungen
der schwer ringenden Bevölkerung, wieder hoch zu kommen, verhindert u. zunichte
gemacht.

Es ist Winter auch im Dasein des deutschen Volkes!

Zu Millionen werden heute noch, fast 1 1/2 Jahr nach Kriegsende, die Deutschen
von Haus u. Hof vertrieben, u. Hunderttausende starben im letzten Winter u. sterben
immer noch auf der erbarmungslosen Landstraße eines grausamen u. unmenschlichen
Todes. Hier aber ist kein Kläger u. kein Richter für die hierfür verantwortlichen
Verbrecher; die Machthaber sind ja keine Deutsche, u. die Opfer
sind nur Deutsche! Wir sind in der trostlosesten Lage, in der je ein besiegtes Kulturvolk
sich befunden hat u. noch ohne jede Aussicht auf Besserung. Das deutsche
Volk in seiner Tüchtigkeit wäre in der Lage u. gewillt, sich aus der grauenvollen
Not, in die es allerdings nicht ohne seine Mitschuld geraten ist, wieder emporzuarbeiten
; die Feinde aber in ihrem blinden Haß u. ihrer Unvernunft verhindern dies
mit voller Absicht. Dabei müssen die in Deutschland erscheinenden Zeitungen
von Demokratie u. Völkerversöhnung, von christlichem Geiste u. Hilfsbereitschaft
unserer Gegner schreiben, wo wir tagtäglich rings um uns das Gegenteil davon sehen
u. erleben.

Winter ist es auch in meinem Lebenslauf. Meinen Lebensabend, den ich mir bis
vor wenigen Jahren noch so schön vorgestellt hatte, verbringe ich gegenwärtig
nach meiner schweren Erkrankung im letzten Jahre ... im Vinzentiushaus in Op-
penau. Meine Frau ist nicht mehr in der Lage, eine Haushaltung selbständig zu
führen, u. so sind wir gottfroh, daß wir noch so gut versorgt untergekommen sind.
Schwer ist es allerdings für uns, in den alten Tagen erstmals die Not u. Entbehrung
kennen zu lernen u. wehmütig u. sehnsüchtig gehen die Gedanken aus der trostlosen
Gegenwart zurück in jene glücklicheren Zeiten, wo auch wir einst ein schönes
Vaterland hatten.

605


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0605