Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 606
(PDF, 147 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0606
In diesen besinnlichen Stunden kam mir der Gedanke, für meine Enkel u. späteren
Nachfahren ein Bild von mir u. unserer Zeit zu hinterlassen. Ich dachte dabei
an die Bilder aus deutscher Vergangenheit von Gustav Freytag, die mich sehr
fesselten ...

*

Die Tätigkeit der Jabos über unserm Städtchen nahm im April 1945 immer mehr
zu u. wurde immer gefährlicher: bei einem Angriff auf den hiesigen Bahnhof,
speziell auf die Lokomotive des Zuges, gab es 2 Tote u. einige Verwundete; auch
ein auf der Straße stehendes Lastauto wurde zus.geschossen u. der Eisenbahn- u.
Straßenverkehr völlig unterbunden. Da hieß es; „Die Franzosen stehen am Eingang
des Renchtals!" Genaues u. absolut Zuverlässiges wußte jedoch niemand. Da
erfolgte am 16. April vorm. durch 4 Jabos ein mehrmaliger Angriff auf das Städtchen
, wobei es wiederum einige Verwundete u. ziemlichen Sachschaden an
Dächern, Häusern u. Möbeln gab.

Mein Neffe Otto Braun war stellvertretender Ortsgruppenleiter u. hatte als solcher
vor allem den Kampfeswillen, den Glauben an den Sieg u. die Begeisterung für
die Partei hochzuhalten. Zwar hatte er manchmal lichte Augenblicke, wo er die
Lage u. das Kommando klar sah, aber immer wieder ließ er sich durch die Großsprechereien
der Parteileitung, durch ihre Drohungen u. Befehle beeinflussen, im
Sinne der Nazi zu sprechen u. zu handeln. Und so wie ihm erging es einem großen
Teil der Bevölkerung.

„So unverschämt u. in aller Öffentlichkeit können sie uns nicht anlügen", hieß es.
„Wenn sie die schon seit Monaten angekündigte Geheimwaffe, die den Gegner
sicher vernichten wird, nicht hätten, würden sie nicht so siegessicher auftreten u.
immer noch weiter kämpfen. In unterirdischen Fabriken, 60 m unter dem Boden,
liegt die neue Waffe fix u. fertig. Der Umschwung muß jetzt jeden Tag kommen",
sagten die einen; die andern aber: „Seht doch an den Himmel: lauter feindliche
Flieger! Wo sind unsre Flieger? Wir haben kein Benzin mehr. Unsre Fabriken sind
zerstört; wir können keinen Widerstand mehr leisten. Der Feind besetzt mit der
Regelmäßigkeit eines Uhrwerks täglich mehr deutsches Gebiet: die Russen stehen
vor Wien u. Berlin u. können in wenigen Tagen den Amerikanern u. Engländern
die Hand reichen: unsere Soldaten in Dänemark u. Norwegen sind abgeschnitten;
die Italiener haben uns wie bei ihnen üblich verraten u. sich auf die Seite der
Sieger geschlagen; die Franzosen „erobern" Süddeutschland!"

Die so sprachen, erwarteten hoffnungsfroh die „Befreiungsarmee". Noch durften
sie nicht laut u. offen aussprechen, was sie wünschten; denn die Nazi machten
wirklich Ernst, wenn sie einen Mießmacher erwischten; noch bis in die letzten
Tage u. Stunden ihrer Herrschaft ließen sie Hunderte, wenn nicht gar Tausende
erschießen, die nicht mehr kämpfen wollten.

In Oppenau lagen etwa 150-200 Mann Militär mit einigen Geschützen u. Maschinengewehren
. In Hubacker an der engsten Stelle des Tales waren 2 Tankhindernisse
aufgebaut. Der Ortskommandant hatte, wie übrigens ganz allgemein jeder Orts-

606


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0606