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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 609
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0609
Schon auf dem Rückwege zu unserer Wohnung sahen wir überall in den Höfen
Feuer brennen, daran die Marokkaner Hühner brieten, während ringsum die
Federn u. Eingeweide sehr unappetitlich umherlagen. Wie wir dann sahen, verlangten
sie zuerst pro forma „pol = poule (Hühner) payer" zu kaufen; da man die
Eierleger jedoch nicht gerne entbehren wollte, hatten sie im nächsten Augenblick
mit sehr geübtem Griff ein Huhn ergriffen, drehten ihm seelenruhig den Hals um
u. richteten es ebenso selbstverständlich vor den Augen der früheren Besitzer zu
ihrem Mahle her; genau auf dieselbe Weise verschafften sie sich lapin (Stallhasen
).

Am anderen Tage erfuhr man dann schon, daß die Marokkaner in der Nacht in die
Häuser eingedrungen waren, - die Türen durften nicht verschlossen werden! - u.
viele Frauen u. Mädchen vergewaltigt hatten, (nach u. und nach in Oppenau über
100!). Da schaute man sie schon nicht mehr so harmlos an u. als man sie beim
Durchsuchen der Häuser beobachtete, wie sie Gold- u. Silberwaren, überhaupt alles
Glänzende u. Glitzernde stahlen, wie sie den Leuten am hellen Tage auf offener
Straße im Angesicht ihrer Offiziere Uhren, Fingerringe, Eheringe, Füllfederhalter
usw. raubten, da war die Achtung u. die Freude über die „Befreiungsarmee"
verschwunden. Es war klar, diesen Marokkanern, die als Kanonenfutter die Spitze
der Kampftruppen bilden mußten, war von den Franzosen Plünderungserlaubnis
erteilt worden, u. um diesen Lohn hatten sie sich freiwillig gemeldet. Sie gehorchten
daher auch außerhalb der Kampfhandlungen keineswegs den Befehlen der
franz. Offiziere, wie sich deutlich zeigte, als ein Marokkaner die Frau Hoferer, gegenüber
der Wohnung meiner Tochter, am hellen Tage vergewaltigten wollte. Ein
zuhilfe gerufener Offizier mußte erst Soldaten herbeiholen, seinen Revolver
schußbereit machen, dann erst konnten sie den Schandkerl überwältigen, nicht ohne
daß dieser den Offizier sehr feindselig ansah, ja bedrohte. Von Strafe aber keine
Spur, er ging kurz darauf mit einem gestohlenen Huhn wieder am Hause vorbei!
Ein deutscher Soldat wäre in einem solchen Falle einfach kurzerhand nach den international
geltenden Kriegsgesetzen erschossen worden. So beachteten die Franzosen
die Genfer Konvention.

Ich selbst wurde wenige Tage später von zwei baumlangen Marokkanern auf der
Straße beim Schlüssel angehalten; der eine wollte mir zuerst die Ringe vom Finger
ziehen, aber sie steckten zu fest; hernach griff er nach meiner Uhr; aber da brüllte
ich ihn an: non, non! da stand er beinahe stramm u. fragte fast ängstlich: soldat?,
worauf ich etwas in meinen Bart brummte u. die beiden sich entfernten. Meine
Uhr u. meine Ringe waren gerettet u. verschwanden natürlich für die nächste Zeit
aus den Augen der Räuber.

So war nun die Front über uns hinweggeschritten; wir waren vom Nazijoch befreit
; die Befreiungsarmee war da; die französischen Zivilarbeiter, die sich in den
entscheidenden Stunden mutig in die Wälder verzogen hatten, waren auch wieder
da; sie sahen das Treiben ihrer Landsleute; sie schämten sich, eingedenk der Behandlung
, die sie bei uns in Deutschland erfahren hatten; sie zogen sich möglichst
zurück. Wir aber waren bitter enttäuscht u. empört über eine solche mittelalterliche
, barbarische Kriegführung, die namentlich die alten Soldaten des 1. Weltkrie-

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