http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0611
Kriegsende in Gengenbach
Auszüge aus dem Tagebuch Professor Franz K. Gießlers
Professor (Religionslehrer) Gießler betreute als Benefiziat von 1936-1966 die
selbständige Pfarrstelle des ehemaligen St. Erhardsfonds in Gengenbach.
Die Vorlage wurde uns freundlicherweise von Herrn Julius Roschach aus Gengenbach
zur Verfügung gestellt:
Freitag, 6. 4.1945. Nachricht verbreitet, die Franzosen seien vor Offenburg.
Sonntag, 8. 4. Weißer Sonntag, 6.00 Uhr Erstkommunionfeier, abgekürzt. Die
Kinder bleiben in ihren Bänken. Kommunion im Chor. Die Feier bleibt ungestört.
Aber nach 8.00 Uhr 2 mal Alarm.
Montag, 9.4. Viel Alarm.
Dienstag, 10. 4. Wir richten uns für die Nacht im Keller ein.
Mittwoch, 11. 4. Unsere Haushilfe meldet sich krank und geht auf ihren heimatlichen
Hof in Wingerbach. Viele Flieger über uns. Meist kein Alarm! Nachts kommen
immer mehr Leute zu uns in den Keller, weil er als einer der besten gilt!
Freitag, 13. 4. Nachmittags gehe ich nach Schwaibach und Bergach zum Religionsunterricht
. Aber wenig Kinder da. Öfters Flieger! Offenburg wird ziemlich
kampflos besetzt. Nachts heißt es, die Franzosen seien in wenigen Stunden da. Ich
gehe ins Krankenhaus. Dort ist nichts bekannt. Nur das Reservelazarett im Mutterhaus
rüstet zum Abzug.
Montag, 16. 4. Untertags viel Alarm. Abends gehe ich ins Krankenhaus. Viele
Kranke sind den ganzen Tag im Keller. Das Allerheiligste ist fast den ganzen Tag
dort im Nottabernakel. Die Franzosen stehen vor Ortenberg.
Dienstag, 17. 4. Nach der hl. Messe um 6.00 Uhr Alarm. Wir richten uns ganz im
Keller ein. Es gehen allerhand Gerüchte. Fabrikant Köhler soll verhaftet sein; weil
er den Volkssturm aufgelöst. Sparkassendirektor Braun rettet sich mit der Familie
in den Wald, weil er vom Kreisleiter verhaftet werden sollte. Untertags Artilleriebeschuß
. Unsere Flüchtlinge aus Bochum flüchten in den Bierkeller im Oberdorf
und nach Haigerach. Frl. Baumann, die uns jetzt im Haushalt hilft, möchte Mutter
nach Dantersbach (Bernhard Müller) bringen. Mutter will hierbleiben. Abends
höre ich vom Krankenhaus aus in Ohlsbach und Berghaupten schießen. Vom
Bergle aus sehe man die Panzer. Wir richten den Keller als Nachtquartier her. Um
1h 3 Uhr hören wir die Granaten sausen.
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