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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 612
(PDF, 147 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1995/0612
Mittwoch, 18. 4. Um 5.00 Uhr gehe ich zur hl. Messe ins Krankenhaus. Unterwegs
begegnet mir der gestern zum Bürgermeister eingesetzte Kaufmann Bruder. Er bittet
mich um die Generalabsolution. Es werde heute gefährlich und für ihn besonders
verantwortungsvoll. Gestern abend hieß es, Gengenbach werde sich kampflos ergeben
. Aber noch ist der Kreisleiter von Offenburg hier und will kämpfen! Als ich
heimkomme ist unsere Kellerfamilie beisammen. Nachbars Huber, die einen
schlechten Keller haben, sind zu uns gekommen. Der junge Hermann Fautz ist als
Beobachter bei uns und schaut, was oben los ist. Nach 8.00 Uhr wird die Kinzigbrücke
und ein Teil des Munitionslagers auf dem Nohen gesprengt. Nach 9.00 Uhr
kommt eine Botin aus dem Pfarrhauskeller und sagt, Gengenbach werde sich nicht
ergeben. Wir müßten mit Brandbomben rechnen. Ich sage den andern nichts davon.
Es ist heute Schutzfest des hl. Josef. Wir stellen uns unter seinen Schutz und beten
den Rosenkranz miteinander. Unsere Kundschafter berichten, die Franzosen seien
schon in Berghaupten; andere kämen von Reichenbach über den Berg. Wir warten
ab. Wir hören in der Nähe schießen. Maschinengewehr? Panzer? Man hört auf der
Straße sprechen. Französisch? Gegen 12.00 Uhr gehen wir Männer einmal hinauf.
Gegenüber stehen Armbrusters auf der Straße und sagen Gengenbach sei kampflos
übergeben worden. Schon kommt ein Franzose mit dem Gewehr auf uns zu:
a l'Hotel! Wir müssen alle in den „Adler". Dort ist schon ein ganze Anzahl Männer
und Jungen versammelt. Auch Geistl. Rat Kast ist darunter. Ich sorge mich, wie es
daheim gehen wird. Aber niemand darf fort. Inzwischen beginnt die deutsche Artillerie
von Biberach aus zu schießen. Ein Mann fällt im Saal um. Man ruft nach
einem Arzt, nach einem Geistlichen, ein Kommandant erlaubt, daß ich heimgehe,
um das hl. Oel zu holen. Dabei kann ich Mutter beruhigen. Als ich wieder ins Hotel
komme, ist der Mann zu sich gekommen und es geht ihm wieder gut. In der Küche
finde ich Bürgermeister Bruder und Fr. Vorbeck als Dolmetscherin. Der Kommandant
erlaubt, daß wir Geistlichen heimgehen. Um 4.00 Uhr komme ich zum
Mittagessen! Ich kann nun das Haus bewachen, da inzwischen die Franzosen die
Häuser nach deutschen Soldaten und Munition durchsuchen. Es wird verkündet, daß
wir von 7.00 Uhr abends bis 7.00 Uhr morgens das Haus nicht verlassen dürfen,
untertags auch nicht die Stadt. Alle Räder, Radios und Photoapparate müssen abgegeben
werden. Es kommen immer wieder Einschläge von Granaten. Eine schlägt
gegenüber hinter, Metzger Fautz ein, macht aber keinen großen Schaden. Wir schlafen
deshalb noch einmal im Keller.

Donnerstag, 19. 4.... Es schießt immer wieder. Ich bleibe am Vormittag daheim.
Inzwischen hören wir, wie es gestern gegangen. Der Kreisleiter wollte Gengenbach
verteidigen lassen, sah wohl ein, daß die paar Soldaten, alte Männer und Jungen
die Panzersperren, die primitiv aufgestellt waren, nicht halten konnten. Er zog
es vor, mit den andern Größen sein Heil in der Flucht zu suchen. Bürgermeister
Bruder ging dann mit der weißen Fahne den Franzosen entgegen. Einige mutige
Frauen aus dem Pfarrhauskeller hatten trotz der drohenden Lage eine Wallfahrt auf
das Bergle gemacht. Der Tag bleibt im allgemeinen ruhig. Es kommen nur immer
wieder französische Soldaten, auch Marokkaner und wollen Wein oder Schnaps.
Das Auto, das ein aus Koblenz geflüchteter Schuhfabrikant untergestellt hat, sticht
ihnen in die Augen. Der Besitzer sagt, es gehöre einem franz. Offizier. Der Wagen
wird trotzdem abgeschleppt. Wir schlafen heute wieder oben.

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