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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 622
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völkerung konnte sie verköstigen. Unter ihnen war auch unser Ortsgruppenleiter
Josef Zehnle, der sich im Loh mit einigen Gesinnungsgenossen zur Wehr gesetzt
hatte in einem Bunker. Am Samstag wurde er wieder entlassen. Sein Weg durch
den Ort das Loh hinauf war ein richtiges Spießrutenlaufen; die Bevölkerung entlud
ihren Groll in schweren Schimpfereien und Verwünschungen.

Sonntag, den 22. April 1945. Viele Franzosen einquartiert

In der Früh hatten wir unsern Gottesdienst wie an den letzten Sonntagen: um 6.30
Uhr die erste hl. Messe, zu der sich noch nicht viele einfanden. Um 8.00 Uhr Beerdigung
des gefallenen Matthias Wangler, anschließend das Amt. Auch einige
Franzosen waren in der Kirche. Das militärische Leben und Treiben im Ort ist das
gleiche wie in den vergangenen Tagen, nur sind die Kämpfe zu Ende. Vom Kinzigtal
her hört man noch schießen: dort scheint es noch nicht aus zu sein.

Unsere Einquartierung rückt im Laufe des Nachmittags ab; am Abend ist unser
Haus wieder leer. Sonst sind aber noch viele Franzosen in der Gemeinde; der
Geisberg steht voll mit ihnen.

Dort geschah an diesem Abend die zweite Vergewaltigung. Drei Franzosen, schon
etwas angetrunken, erschienen im Hause des Schuhjörg. Sie verlangten erst etwas
zu essen und zu trinken; dann verlangten sie Mädchen. Es waren drei im Hause;
die siebzehnjährige Tochter und zwei etwa gleichalterige Verwandte aus Lahr. Alles
Bitten und Betteln nützte nichts. Der eine Franzose schleppte das eine Lahrer
Mädchen in die Kammer, der zweite Franzose blieb im Gang, der dritte in der
Stube. Und nun warf sich die ganze Familie vor dem Muttergottesbild auf die
Knie und begann zu beten, wie sie - so sagten sie nachher - noch nie gebetet
haben. Plötzlich stand der Franzose in der Stube auf, ging raus und rief seinem
Kameraden. Dann gingen sie weg; wahrscheinlich ist das Mädchen nicht vergewaltigt
worden.

In den Hühnerstall eingestiegen

Am gleichen Mittag hatte ich zwei Franzosen gestellt, die in unseren Hühnerstall
eingestiegen waren. Der eine wollte sich verziehen, als er des Pfarrers ansichtig
wurde; der andere nahm sich ein Huhn mit. Auf meine Vorhaltungen erzählte er
das, was in diesen Tagen jeder Franzose behauptete: Die Deutschen (boches) hätten
es in Frankreich noch viel schlimmer getrieben; sie hätten seinen Vater und
seinen Bruder getötet, seine Heimat verbrannt. Man solle auch bei uns alles zusammenbrennen
. Es ist wie eine Schallplatte; jeder erzählt das gleiche. Wenn man
ihnen glauben könnte, müßte ganz Frankreich zerstört sein. In Wirklichkeit ist es
die Ausrede, das ihr ungerechtes, haßerfülltes und oft verbrecherisches Vorgehen
rechtfertigen soll. Daß in Frankreich und den übrigen besetzten Gebieten viel Böses
von unserer Wehrmacht und besonders der SS geschehen ist, steht außer Zweifel.

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