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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 628
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„D'Werkstatt wurd abbrennt sie, wann alles rum isch", befürchtet der
Ostermann-Schorsch.

Die Volksstimmung ist eigenartig. Manches, was gesagt, getan wird, erscheint
unwirklich, so als habe es keinen sicheren Bestand. Die Sorge gilt
dem Haus, der Wohnung, dem bißchen Habe. Gerüchte sind im Umlauf,
Widersprüchliches, das verzagt macht. Nur die Landwirte stehen fest im
Leben; bestellen sorgsam das Feld. Sie fühlen, ihr Tun ist wichtig, gerade
in diesen Tagen des Wandels. Selbst Bürgermeister Eduard Seitz, der im
Wollen und Handeln gescheitert ist, mag dies erahnen. Eben hat ihn der
Landrat (am 14. 4. 45) seines Amtes enthoben, weil er „infolge der drohenden
Besetzung der Stadt durch französische Truppen seine Dienstgeschäfte
verlassen" habe. Der Stadtrechner Fridolin Stork soll das Bürgermeisteramt
ausüben. Und Fridolin Stork weiß, daß er dies um der Bürger willen
tun muß, und er handelt, wie er handeln muß: die NS-Zeichen, die Hakenkreuze
, Fahnen und Hitler-Bilder werden aus dem Rathaus entfernt. Auf
dem Blumenberg richtet derweil Eduard Seitz, gemeinsam mit seiner Frau,
den Garten her, gräbt um, lockert das Erdreich, setzt Pflanzen. Die beiden,
die da gärtnern, wissen, daß sie hier nicht mehr ernten werden.

Die Menschen reden von ihren Hoffnungen, Sorgen, Zweifeln. Einige von
denen, die vor dem Unteren Tor stehen, hoffen noch auf den Einsatz der
„Wunderwaffen", die den Krieg wenden sollen; andere wissen, daß der
Krieg verloren ist. Die zwölf Jahre des Regimes sind Thema eines Gesprächs
in Altdorf: von den Erwartungen wird geredet, die es geweckt, von
der Zuversicht, die es den Jungen eingeflößt und was daraus geworden ist.
Und noch weiß man nichts oder kaum etwas von den Verbrechen, die es
verschuldet hat. Um Söhne, Brüder, Gatten, die im Felde stehen, sorgt man
sich, weil jede Nachricht fehlt. Und nicht unversehenes geraten ins Blickfeld
das Schlimme, das den Juden angetan wurde und die Drangsalierung
der Kirchen, und noch so manches andere, was das Regime getan hat und
das man nicht abwenden konnte.

Für die Leute ist das Leben schwieriger geworden und die Versorgung
knapper. Die Frauen richten her, was sie als Habseligkeiten in die Schutzbunker
mitnehmen wollen. Mit Sorge hört man die Nachrichten, die ein
neuer Rundfunksender, seiner Nähe wegen wird er „Brogginger Sender"
genannt, verbreitet. Aufreizend ertönt oft die kesse Stimme einer Sängerin:
„Ich bin heut' frei, meine Herrn, wer ist so frei, meine Herrn" - es ist dies
die alte Masche, kampfunwillige und kampfmüde Soldaten wieder anzustacheln
. Zeitweilig fällt der Sender aus; der Strom ist ausgefallen. Eine
Karbidlaterne, die aus dem Bergwerk stammt, oder eine Ölfunzel spenden
Licht.

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