Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 637
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hänn dr Burgemeischder". Durchs Untere Tor ging der Zug, schwenkte in
die Rohanstraße ein, dem Rathaus zu, und nahezu ununterbrochen feuerten
die Bewaffneten in die Luft, trafen zuweilen einen Dachkähner. Schnell
zuckten die Köpfe jener zurück, die, wie die Strickler-Becki, gerade aus
dem Fenster schauten, wenn Kugeln in die Hauswand einschlugen.

Wirres Herumtreiben, Brüllen und Toben, als der Zug, mit Eduard Seitz in
der Mitte, auf dem Marktplatz weilte. Ein Trupp löste sich aus dem Haufen
, drang in die gegenüber dem Rathaus stehende „Sonne" ein, in der sich
jetzt nur noch Wohnungen befanden. Man erzwang sich Zugang in die
Behausung von Gymnasialprofessor Ernst Schaaf, der als „scharfer Nazi"
bekannt war. Man holte ihn aus den Räumen heraus, stieß ihn, der nur
spärlich bekleidet war, wie Zeugen wissen, unsanft die Treppe hinunter, in
die aufgebrachte Rotte hinein. Entsetzt floh Frau Schaaf, weinend, ihr kleines
Kind auf dem Arm haltend, suchte sie Schutz in der Spitalkirche, wo
sie sich den ganzen Tag über aufhielt.

Zum Oberen Tor hin setzte sich, unter Gezeter, Drohungen und Geschrei,
der Zug wieder in Marsch. In Furcht und Entsetzen erlebten die Zuschauer
diesen Ausbruch. „Mache d'Läde zue", rief eine vom üblen Auftritt schaudernde
Frau, „un au d'Fenschder", verlangte der Löwen-Wirt von seinen
Leuten. In die Allee-Straße schwenkte der Umzug ein. Ihm voraus schritten
zwei Leute aus der Stadt, ihnen folgte Eduard Seitz: aufrecht und mannhaft
habe er sich gehalten, erzählte ein junger Mann, der ihn durch ein Astloch
im „Schiere-Door" gesehen hatte. Zwei Bewaffnete, die Gewehre umgehängt
, flankierten den Delinquenten, den sie mit seiner Frau zum
Meyer'schen Haus in der Austraße führten, wo beide Lieder singen
mußten.

Die Sonne brannte heiß hernieder an diesem Tag, und die Verhafteten dürstete
es. „Der Hedrich Franz", soll Eduard Seitz gesagt haben, als der Weg
durch die Talstraße führte, „wird ein Herz haben und uns ein Glas Wasser
reichen", und er erhielt es auch - jedoch ein Pole schlug ihm, nahe der
Martinsbrücke beim Amtsgericht, ob versehentlich oder absichtlich, das
Glas aus der Hand. An der Ecke der Dirnle-Brücke hielt dann der Zug.
Und urplötzlich waren die Verhafteten umsäumt von einer 20 bis 30 Köpfe
zählenden Menschenschar, die wütend aufschrie, auf die Gefangenen roh
einschlug, sie anspuckte, beschimpfte und schmähte. Es tobte ein Aufruhr,
der die Nachbarn zutiefst erschreckte, Abscheu erregte und sie befürchten
ließ, daß ihnen selbst Übles widerfahren werde, wenn die Meute in ihre
Häuser eindringt. Übel erging es vor allem Frau Seitz, um die sich ihr
Mann zuvor schon gesorgt hatte. Sie verlor einen Zahn, blutete aus dem
Mund, ein Stahlhelm wurde ihr auf den Kopf gedrückt, und auch den Man-

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