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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 638
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tel wollte ihr jemand gewaltsam vom Körper reißen. Heftig traktiert wurden
auch die Männer, und Ernst Schaaf erhielt, als Strafe für eine Lappalie,
wie der Täter sich rühmte, einen Fußtritt versetzt. Abscheu und Ekel rief
dieses Treiben hervor; man müsse sich schämen über diese Übeltaten,
zürnte ein Zuschauer, und zog sich mit seinem Nachbarn angewidert vom
Schauplatz zurück. Mancher Zeuge aber mochte sich wohl an jenen Novembertag
im Jahre 1938 erinnern, als auf Eduard Seitz' Aufstacheln hin
im Städtle die jüdischen Mitbürger gehetzt, gejagt, ihre Wohnungen samt
Mobiliar beschädigt und teilweise zerstört wurden. Und jenes schreckliche
Geschehnis rächte sich nun. Zu ihrer Wohnung in der Luisenstraße geführt,
sahen die Eheleute Seitz, daß sie aufgebrochen worden war. Ein ehemaliger
Kriegsgefangener, der „Russe-Peter", der in einer Gärtnerei arbeitete,
soll dort übel gehaust, Möbel und Einrichtung beschädigt, allerlei Habseligkeiten
vom Balkon aus auf die Straße hinunter geworfen haben. Ob
die Gefangenen wohl an die alte Untat dachten?

Über den Ziegelweg und die Bienlestraße hinein in die Altstadt wurden die
Gefangenen geführt und schließlich hin zum Anwesen C. F. Dietrich, wo
sie und ihre Eskorte auf den Abtransport nach Lahr harrten. Es war etwa
17 Uhr als ein mit zwei französischen Offizieren besetztes Auto vorfuhr,
die Gefangenen in ihr neues Gewahrsam gebracht wurden.

Es seien einige, die ihn so übel bedrängt hatten, seine Freunde gewesen,
hielt man später Eduard Seitz vor, und er widersprach nicht.

Es war nur zwei Tage später, da eilte Friedrich Ochs, der Lehrer, in den
Filmersbach, wo gerade die Mesner-Familie Mayer auf einem „Mag-
some"-Acker (mit Mohn bepflanzter Acker) arbeitete. Die deutsche Wehrmacht
, so seine Botschaft, habe nun bedingungslos kapituliert, und zu
Ende sei nun der fürchterliche Krieg. Und Elise Mayer eilte in die Stadt,
läutete in der Pfarrkirche die einzige, noch im Gotteshaus verbliebene
Glocke. Das leise, silberne Geläut - oh welch ein Omen - des Schutzen-
gel-Glöckleins breitete sich über die Stadt aus, erzählte, daß nun das Unheil
aufhören soll und auch die Zeit nahe, daß - wie jetzt noch immer -
nicht mehr geschändet, getötet, gemordet, Menschen aus ihrer Heimat vertrieben
, in Lagern gepeinigt, Drangsalen und Hunger und Elend überlassen
werden. Und es klang flüsternd, fast unhörbar im Ton des Glöckleins die
Hoffnung mit, daß sich das Los der Menschheit doch noch zum Guten
wenden möge.

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