Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
75. Jahresband.1995
Seite: 679
(PDF, 147 MB)
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der deutschen Sozialdemokratie so recht
antreten konnte - ist bislang ohne umfassende
Biographie geblieben. Auch Watzingers
Buch wird, um es vorwegzunehmen
, diesem Anspruch nicht gerecht; aber
es ist - da der Weg zu einer gültigen Biographie
noch weit scheint, wenn sie denn
überhaupt je zu erwarten ist - doch eine
nützliche Zwischenbilanz auf dem Wege
dorthin.

Watzinger, der u.a. durch seine „Geschichte
der Juden in Mannheim
1650-1945 mit 52 Biographien" ausgewiesen
ist, gliedert sein Buch in zwei Teile
. Die eigentliche biographische Darstellung
umfaßt nur knapp 80 Seiten; ihr folgt
ein umfangreicherer „Quellenanhang",
der Artikel und Reden, Briefe (u.a. an
Adolf und Marie Geck, Karl Kautsky, Gustav
Mayer, Else Belli, Theodor Heuss,
Wilhelm Kolb), das Testament, Dokumente
über die Suche nach dem Grab sowie
als letztes Nachrufe und Erinnerungen
bietet, die der Herausgeber des Bandes,
das Stadtarchiv Mannheim, seit längerem
in mühevoller Sucharbeit zusammengetragen
und kundig kommentiert hat. Überschneidungen
mit den von Hedwig Wachenheim
bereits 1924 herausgegebenen
„Aufsätzen, Reden und Briefen" wurden
dabei weitgehend vermieden.
Dieses offenkundige Mißverhältnis zwischen
Darstellung und Materialienteil
hängt eng mit der Quellenlage zusammen,
denn ein schriftlicher Nachlaß Franks existiert
nicht. Watzinger tut sich in seinem
biographischen Zugriff denn auch relativ
schwer, so daß die von ihm selbst beklagte
Feststellung, Frank bleibe als Mensch
in unserer Vorstellung weithin blaß, auch
nach diesem Band notwendig bestehen
bleibt; boten sich dem Autor für die Kon-
turierung seines Gegenstands doch vor
allem politische und programmatische
Selbstaussagen Franks an. Von diesen wie
von Urteilen Dritter macht er denn auch
ausgiebig Gebrauch, besonders gegen
Schluß - worunter die Eigenständigkeit
seines Urteils mitunter leidet. Dabei gerät

auch der „Sonderfall eines Politikers" etwas
ins Hintertreffen, der sich anhand der
Korrespondenz und der persönlichen Erinnerungen
und Nachrufe, etwa von Mon-
ty Jacobs, eindrücklicher erschließt. War
Frank doch von seiner Abstammung her
die sichere Art der Landjuden eigen, die
im dankbaren Gefühl des auskömmlichen
Miteinanders mit der nichtjüdischen Majorität
gerade die sozialen und patriotischen
Seiten seines Wesens besonders
reich zur Entfaltung brachte. Geradezu
exemplarisch sichtbar bereits in Franks
Abiturrede von 1893 über Lessings „Nathan
", wo der 19jährige aus dem Emanzipationsversprechen
auch persönliche
Konsequenzen einfordert: „Wenn wir
ganz im Geiste des großen Reformators
aufgehen wollen, müssen wir die Wahrheit
nicht bloß suchen, sondern auch die
praktischen Folgerungen aus ihr ziehen.
Wir müssen gerecht werden, wir müssen
ein Herz haben für die Leiden der Tieferstehenden
(...). Unser Streiten sei ein
Streiten um das Wohl aller im Dienste der
Allgemeinheit".

Watzinger hat diesem Aspekt im Untertitel
seines Buches Rechnung getragen,
der der Formel vom „deutschen Staatsbürger
jüdischen Glaubens" nachempfunden
ist, ohne ihm weiter große Beachtung zu
schenken. Der Schwerpunkt seiner Darstellung
liegt vielmehr auf der Verdeutlichung
hergebrachter Fragestellungen, wie
sie vor allem im Wandlungsprozeß vom
„radikalen" Sozialisten zum Revisionisten
zu sehen sind. Für Frank war dies zugleich
ein Weg vom sozialdemokratischen
„Hoffnungsträger" und präsumptiven Bebel
-Nachfolger zum süddeutschen Repräsentanten
eines innerparteilichen Oppositionskurses
. Die Bruchlinie bildet hierbei
der Kampf um die Budgetbewilligung um
1910 - er scheidet die „orthodoxen" Anfänge
Franks, der sich besondere Verdienste
um die Organisierung der Jugend erworben
hatte, deutlich von seiner späteren
Zeit, die geprägt ist von der Option für
eine Großblockpolitik, aber auch von sei-

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