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Die Arenga (einleitende literarische Formel) des Privilegs Bischofs Wide-
gerns für Kloster Murbach (728 Mai 13 = Bischof Heddo für Kloster Arnulfsau
749 Sept. 27) gliedert sich in zwei Sinnabschnitte mit verschiedener
Zielsetzung. Nach einem einleitenden Satz, der die Fürsorge der Kirchenhirten
für die Ausbreitung und die Lebenskraft der Kirche betont, legt
sie mit drei Zitaten aus der hl. Schrift (Gen. 12, 1; Mt. 19, 12; Mt. 16, 29)
die Haltung der monachi peregrini, der Wandermönche, dar. Danach folgt
der Hinweis auf die Vorbilder: die Klöster Lerins, S. Maurice und Luxeuil
und ein Zitat aus der Apostelgeschichte (4, 32). Was Lerins anbelangt, so
muß zunächst darauf hingewiesen werden, daß die Synoden des Merowin-
gerreiches die volle Amtsgewalt des Bischofs über den Abt vorsahen. Um
sich von ihr weitgehend selbständig zu machen, bedurfte es eines auf
synodaler Grundlage beruhenden bischöflichen Privilegs. Ein Synodalbeschluß
zugunsten von Lerins bildete hier den Anfang. Auf dieses Vorbild
beriefen sich die meisten späteren Privilegien14.
Was die Peregrinatio, die asketische Pilgerschaft, die bei den irischen
Mönchen so verwurzelt war, angeht, sei daran erinnert, daß 728 Murbach
als Vivarium Peregrinorum bezeichnet wird, wohin der Bischof Pirmin seine
monachi peregrini gerufen habe. Ebenso heißt es 749 für Arnulfsau:
„Weil wir [Bischof Heddo von Straßburg] erfahren haben, daß der mächtige
(vir inluster) Graf Ruthard auf der Insel, die Arnulfsau genannt wird,
am (iuxta) Rhein unterhalb unseres Sprengeis (parrochia) zu Ehren der heiligen
Apostel und der heiligen Gottesgebärerin Maria und der übrigen Heiligen
mit Gottes Hilfe und unserm Rat versucht hat, ein Kloster auf seinem
eigenen Gut neu zu erbauen (a novo aedificare) und dahin Abt Saroardus
mit seinen monachi peregrini gerufen habe, um das Coenobium oder die
heilige Gebetsgemeinschaft unter der Regel des seligen Benedikts mit
Gottes Gnade und unserer Hilfe zu vollenden [. . .]"15.
Nun kann die asketische Pilgerschaft16 (Peregrinatio), wie sie bei den irischen
Mönchen üblich war, einmal als Auszug in die Fremde und Verweilen
in der Fremde, als Leben im Kloster, in negativer Konnotation aber
auch unruhiges Umherschweifen gedeutet werden. Den Konflikt zwischen
der Stabilitas loci, wie sie Kap. 4 des Konzils von Chalcedon vorschrieb,
und dem Wunsch, eine Reise nach Rom zu unternehmen, schildert z. B.
der Brief, den die Äbtissin Eangyth an Bonifatius richtete. Sie stellte ihm
die Frage, was nach seiner Ansicht für sie nützlicher sei: in der Heimat allein
zu leben oder in die Fremde zu pilgern17. Die ausufernde, sich nicht an
die kirchlichen Vorschriften haltende Peregrinatio stand dem Aufbau bzw.
der Kräftigung einer an feste Titel (Kirchen) und damit an bestimmte Verantwortungsbereiche
geknüpften kirchlichen Struktur im Wege. Die Eingliederung
der peregrini monachi, jener vormals unter der Führung Pirmins
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