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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
77. Jahresband.1997
Seite: 338
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Muckenschopf die neue Kirche wieder am Platz der alten bauen wollten.
Diese uralten Bindungen an den alten Kirchplatz gaben den 30 Scherzhei-
mer Frauen den Mut, mit dem Herzen zu denken und Einwände des Kopfes
zu unterdrücken, als sie die Kalkgrube zuwarfen. Die Behörde hatte dafür
kein Verständnis, winkte mit den Paragraphen und steckte die „Rädelsführerinnen
" ins Gefängnis. Die Kontrahenten nannte Pfarrer Schoch „Einige
Personen hiesiger Gegend". Es müssen schon Leute von großem Einfluß
gewesen sein, wenn sie sich zutrauten, ihre Vorstellungen gegen den Willen
der Kirchengemeinde Scherzheim-Muckenschopf durchzudrücken. Die
Spekulation findet nur drei Männer, die den erforderlichen Einfluß gehabt
hätten: Der Oberamtmann Frank, der Amtsschultheiß Götz und Dekan
(Special) Schulmeister. Von ihnen hätte der Oberamtmann allein genügt.
Aber die Spekulation erlaubt keine Entscheidung. Die Frage bleibt offen.

Das eben angedeutete Übergewicht des Oberamtmanns rührt von dem damaligen
Verhältnis der Kirche zum Staat her. Man pflegt es Staatskirchen-
tum zu nennen. Der absolute Landesfürst war nach geltendem Recht für
die Leitung der Kirche genau so verantwortlich wie für die Finanzen oder
das Militär. Im badischen Ministerium des Innern gab es damals eine katholische
und eine evangelische Kirchensektion, die die Kirchenverwaltungen
besorgten. Die Kirchen waren ein Teil des kulturellen Sektors des
Staates, das heißt für unsern Fall: Nicht nur der Dekan, sondern auch der
Oberamtmann hatte entscheidenden Einfluß auf den Scherzheimer Kirchenneubau
. Eigenverantwortliche, unabhängige Entscheidungen der Kirchenorgane
gab es nicht.

Beim Abbruch der alten Kirche ließ indessen die Hoffnung auf das neue
Gotteshaus keine Trauer aufkommen, denn der Geist der Zeit um das Jahr
1810 war stark vom Rationalismus geprägt. Das will besagen, daß bei den
Entscheidungen über die Dorfkirche allein die Zweckmäßigkeit die ausschlaggebende
Rolle spielte, d. h. ein geräumiger, stabiler Neubau hatte
mehr Chancen als das alte Gotteshaus, auch wenn man es restauriert hätte.
Ein historisch oder künstlerisch bestimmter Wert der alten Kirche als er-
haltenswertes Baudenkmal stand außerhalb der Vorstellungswelt der Verantwortlichen
. Es sei nur an die zur selben Zeit ohne Bedenken abgebrochenen
mittelalterlichen Bauteile im benachbarten Lichtenau erinnert: Die
beiden Stadttore, der Streckturm und die Schloßruinen. Eine Zeichnung
des alten Scherzheimer Kirchleins sowie ein Bild der neuen Weinbrennerkirche
finden wir in einem Beitrag von August Feßler in der „Ortenau" von
1955.

Die Scherzheimer Kirche ist - im Gegensatz zur Lichtenauer Kirche - im
30jährigen Krieg nicht abgebrannt. Aber am 12. Sept. 1689 ging sie mit

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