http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1997/0485
Heinrich Hansjakob und die Juden
Manfred Hildenbrand
„Im übrigen ist der Kampf gegen den Antisemitismus Eure Angelegenheit
. Bedroht uns dieser Haß manchmal aufs gefährlichste, so ist
es doch Eure Krankheit, es ist das Übel, das Euch verfolgt."
Der jüdische Schriftsteller Manes Sperber (1905-1984)
Antisemitische Volkskultur
Die Diskussion über den „Holocaust", die Vernichtung von 6 Millionen Juden
während der NS-Gewaltherrschaft, wurde neu belebt durch das Buch
des amerikanischen Sozialwissenschaftlers Daniel Jonah Goldhagen „Hitlers
willige Vollstrecker"1. In ihm stellt er die These auf, die Deutschen
seien durch ihre Kultur des „eliminatorischen Antisemitismus" dazu gebracht
worden, Millionen von Juden zu ermorden2. Bereits im vergangenen
Jahrhundert hätten zahlreiche deutsche Gelehrte und Schriftsteller einen
vehementen Antisemitismus vertreten und die „physische Vernichtung" der
Juden gefordert. Laut Goldhagen sei dies ein Beweis dafür, daß die Deutschen
nicht nur Opfer des Verführers Hitler waren, sondern diesen vom
Vernichtungswahn geprägten Judenhaß bereits in sich trugen.
Zahlreiche Kritiker Goldhagens haben seine Thesen als übertrieben abgelehnt
. Sie mußten jedoch konzedieren, daß der Antisemitismus, gerade in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts
, große Teile der deutschen Bevölkerung erfaßt hatte. Der Antisemitismus
gehörte damals zur deutschen Volkskultur. Die Zeitschrift, die den
Antisemitismus Ende des 19. Jahrhunderts gesellschaftsfähig machte, war
die „Gartenlaube". Diese illustrierte Familienzeitschrift war eines der am
meisten gelesenen Presseorgane jener Zeit und hatte wesentlichen Einfluß
auf die Bildung des Mittelstandes3. Die „Gartenlaube" verhalf mit einer
Artikelserie aus der Feder des Antisemiten Otto Glagau dem Antisemitismus
zu ungewöhnlicher Popularität. Die beliebte Familienzeitschrift war
für „warme Herzen", doch ging es um die Juden, brach eine neue „Eiszeit"
aus: „Die ganze Weltgeschichte kennt kein zweites Beispiel, daß ein heimatloses
Volk, eine physisch und psychisch entschieden degenerierte Rasse
, bloß durch List und Schlauheit, durch Wucher und Schacher über den
Erdkreis gebietet."4
Diese antisemitische Volkskultur wurde auch von vielen Volksschriftstellern
geprägt, die aus ihrem antijüdischen Denken keinen Hehl machten. Zu
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