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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 611
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von den gesellschaftlichen Beschränkungen und Restriktionen, denen eine
Frau aus der Unterschicht ausgesetzt war, die ihre Heimatstadt verließ, um
auswärts Arbeit zu finden.

Karoline war 17 Jahre alt, als sie zum ersten Mal außerhalb von Kenzingen
einen Dienst suchte. In den folgenden drei Jahren arbeitete sie an mehreren
Orten und war nördlich zumindest bis Karlsruhe und südlich bis Pleitersheim
gekommen. Sie war eine abenteuerlustige junge Frau von beachtlichem
Selbstbewußtsein und Durchsetzungsvermögen. Im Konflikt mit den
Behörden im Sommer 1842 gab sie nie auf, sondern verfolgte ihr Ziel immer
kämpferischer. Die Amtspersonen, insbesondere der Kenzinger Bürgermeister
, beurteilten sie immer negativer. Was aber hatte Karoline verbrochen
, daß sie von den Behörden derart hartnäckig gemaßregelt und
schließlich in eine fast ausweglose Situation getrieben wurde? Sie hatte
weder gestohlen noch andere kriminelle Handlungen begangen. Ihr einziges
Vergehen war, daß sie sich mehr Freiheiten herausgenommen hatte, als
man ihr zugestehen wollte.

Karoline hatte ihren Heimatschein nicht nur dazu benutzt, eine Stelle in
einer anderen Stadt zu finden und dort zu bleiben, sondern sie hatte ihre
Arbeitgeber öfter gewechselt und war sogar von einem schlechten Dienst
davongelaufen. Auf der Suche nach einer neuen Stelle war sie mehrmals
alleine umhergereist.

Zwar waren die gesellschaftlichen Regeln Mitte des letzten Jahrhunderts für
Unterschichtfrauen nicht so streng wie für bürgerliche Frauen, eine junge
Frau, die sich allein, und ohne eine Arbeitsstelle vorweisen zu können, in einer
fremden Stadt aufhielt, konnte aber nur allzuleicht in den Verdacht eines
liederlichen Lebenswandels kommen. Schon ein solcher Verdacht oder auch
nur der Tatbestand des zwecklosen Umherziehens genügte, um ledige Weibspersonen
zu arretieren, aus der Stadt zu weisen und in ihre Heimatgemeinden
zurückzuschicken. Die Magdverdingerinnen nahmen in diesem Zusammenhang
oft polizeiliche Aufgaben wahr bzw. arbeiteten mit der Polizei zusammen
.22 Für Frauen, die mit Laufpaß nach hause gewiesen wurden, war
das Leben am Heimatort nicht leicht. An ihnen haftete der Makel der Liederlichkeit
. Statt reuig heimzukehren und dort den eigenen sittlichen Wandel
überwachen zu lassen, zog es Karoline an einen neuen Ort, an dem nichts
Nachteiliges über sie bekannt war. Ihr Auftreten und ihre Hartnäckigkeit im
Kampf um den Heimatschein deutet darauf hin, daß sie sich im Recht fühlte
und nicht bereit war, sich den behördlichen Zwängen zu beugen. Sie war eine
selbstbewußte Person, die sich verbal zu wehren wußte und zwar trotz einer
eher schlechten Schulbildung auch schriftlich. Und höchstwahrscheinlich
war sie nach dieser erniedrigenden Erfahrung von 1842 der Bürokratie
und dem herrschenden System nicht gerade wohlgesonnen.

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