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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 621
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richtete ebenfalls in Bühl eine Spinnerei und Weberei. Beide Unternehmer
gehörten zu den wenigen Bühler Juden, die gegen den Willen der Stadtväter
, bereits vor 1848 in den Besitz des Ortsbürgerrechtes kamen.23

Das von den Ortenauer Landjuden wohl am häufigsten betriebene Gewerbe
war der Viehhandel.26 Im Amtsbezirk Lahr und Ettenheim besaßen die jüdischen
Händler fast das Monopol auf dieses Gewerbe. Auch der Spezerei-
handel war eine Domäne der Juden.27 Belege für diese Monopolstellung
finden sich in den vielerorts noch erhaltenen „Viehverkaufskontrakten-
büchern". Diese für die lokale Wirtschaftsgeschichte wichtigen Protokollbücher
halten alle in einer Gemeinde vorgenommenen Viehverkäufe fest.
Als Beispiel seien die Friesenheimer „Kontraktenbücher" angeführt, die
für die Jahre 1787 bis 1848 vorliegen.28 In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts
waren an fast allen Friesenheimer Abschlüssen Juden beteiligt
(97%), wobei die Diersburger Juden 57% des abgeschlossenen Viehhandels
durchführten, der Rest verteilte sich auf Friesenheimer (37%), Kip-
penheimer, Schmieheimer und Altdorfer Juden. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts
steigt die Zahl der Einträge christlicher Viehhändler. 1848 wurden
16% des protokollierten Viehhandels von Christen ausgeführt.

Wohl die meisten jüdischen Händler verliehen Geld. Sie gehörten auf
Grund ihrer Handelstätigkeit zu den wenigen, die auf dem Land überhaupt
über Geldmittel verfügten, öffentliche Kreditanstalten gab es nicht. Sie
deckten vor allem den Finanzbedarf, der in den Standes- und grundherrli-
chen Gebieten durch die Zehntablösung entstanden war. Da manche Bauern
nicht in der Lage waren, ihre Kredite bei den jüdischen Leihgebern abzubezahlen
, kam es zu Zwangsversteigerungen, die den Juden angelastet
wurden. Das seit dem Mittelalter tradierte Bild des „Wucherjudens" wurde
wieder belebt und den Juden die Schuld für die wirtschaftliche Misere der
ländlichen Bevölkerung zugeschoben.

Antijudaismus

Der tradierte Antijudaismus findet sich auch im Brauchtum, das deutliche
Spuren ritualisierter Gewalt in sich barg. Reste eines Gewaltrituals blieben
vor allem im Brauch des Osterfeuers erhalten.29 Johannes Künzig beschreibt
in seinem Aufsatz über das „Frühjahrsbrauchtum der Ortenau"
dieses seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in Mittelbaden nachweisbare
österliche Ritual.30 „Das in ganz Baden, d. h. in katholischen Orten, verbreitete
,Judasverbrennen' vor der Kirche ist auch in der Ortenau in einer
Reihe von Dörfern durchaus üblich. Zu dem vielfach noch nach kirchlicher
Vorschrift aus einem Feuerstein geschlagenen Feuer bringen die Buben

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