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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 623
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Der Hetzruf „Hepp-Hepp", der oft den Beginn antijüdischer Ausschreitungen
ankündigte, findet sich als Bestandteil eines Schmieheimer Kinderreimes
:

Heile, heile, hep, hep, hep,
Und der Jude ißt kein Speck}5

Der im Brauchtum gespeicherte Antijudaismus wurde noch durch eine
Presse geschürt, die sich über die Integrationsbemühungen der Juden mokierte
und die ganze Skala judenfeindlicher Vorurteile durchspielte. Besonders
trat hier das „Offenburger Wochenblatt" hervor, das immer wieder
Werbung für antisemitische Pamphlete aufnahm. Diese Spottschriften
trugen Titel wie: Die Spitzbubereien und Gaunerstreiche der Juden und
ihre verderblichen Umtriebe unter den Christen}*3 Die Verfasser solcher
Schmähschriften unterstellten den jüdischen Händlern generell unehrliche
Absichten. Häufig imitierten sie bei der Formulierung ihrer abstrusen
Geschichten die jüdisch-deutsche Mundart obwohl nur wenige deutsche
Juden diese Sprache noch benutzten.37 Die Betonung des Judendeutschen
sollte das Anderssein der Juden und ihre angebliche kriminelle Veranlagung
belegen, denn nach den landläufigen Vorstellungen bedienten sich
nur Verbrecher einer Sondersprache.

Die im antijüdischen Brauchtum zum Ausdruck kommende Aggressionsbereitschaft
drohte vor allem in Krisenzeiten in reale Gewalt umzuschlagen
, wie 1819, als im Gefolge politischer Unruhen die sog. „Hepp-Hepp-
Krawalle" die jüdische Bevölkerung bedrohten. Der Schwerpunkt dieser
Krawalle lag in Nordbayern und in Hessen. Für die Ortenau lassen sich in
dieser Phase antijüdische Ausschreitungen lediglich für die Stadt Bühl
nachweisen. Die dort höchst unruhigen Auftritte konnten nur mit Einsatz
von Militär unterdrückt werden.38 Weniger gefährlich, doch an der Tagesordnung
, waren sogenannte „Dummen-Jungensstreiche", die nicht als Verletzung
der gesellschaftlichen Normen aufgefaßt wurden und deshalb in
der Regel keinen Eingang in die Akten fanden. Sie tauchen hingegen in
(christlichen) Jugenderinnerungen als harmlose Späße auf, wie bei Fridolin
Löffler, der mit seinen Schutternern Schulkameraden einem fahrenden jüdischen
Händler Namens Valfer übel mitspielte. Der Händler hatte sich auf
Weinsteinklopfen spezialisiert. Eines Tages kamen wir gerade aus der
Schule, wie der „ Valfer" vor dem Prinz in das Faß schlüpfte. Das war nun
für uns ein Gaudium. Kaum war er drinnen, so rollten wir das Faß auf der
Straße herum, daß der arme Jude wie Butter im Faß herumgeworfen wurde
und Zeter und Mordio geschrieen hat}9 Auch in jüdischen Memoiren
kommt dieser alltägliche Antisemitismus zur Sprache. Die in Rust geborene
und aufgewachsene Jüdin Rosalie Hauser und ihre jüdischen Mitschüler
erfuhren ihn am eigenen Leib: Doch erinnere ich mich meiner ersten

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