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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 626
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die der Abgeordnete Welcker am 2. März 1848 der II. Kammer vortrug,
umfaßten auch die politische Gleichberechtigung aller Staatsbürger ohne
Unterschied des religiösen Bekenntnisses.46 Seinem Votum folgte die
große Mehrheit der Parlamentarier, lediglich drei Abgeordnete stimmten
dagegen. Nach Bekanntwerden der Entscheidung der II. Kammer begann
sich Unmut unter der Landbevölkerung auszubreiten. Wie beängstigend
sich die Situation für die Juden in diesen Tagen darstellte, klingt in den Erinnerungen
von Rosalie Hauser (1840-1924) wider: Während dieser
schlimmen Zeit gab es viele bei uns, die ihre Wirtschaft vernachlässigten,
ja ganz verkommen ließen, in dem sie Tage und Nächte in den Wirthäusern
zubrachten, sich fest darauf verlassend, daß bald der Tag kommen werde,
wo sie über die Wohlhabenden, besonders über die Juden, herfallen und
sie berauben könnten.41 Ob Rosalie Hauser folgende Geschichte selbst erlebt
hat oder sie nur aus der Familienüberlieferung kannte, bleibt offen:
Eine Frau machte ihren Mann darauf aufmerksam, ihr, wenn einmal das
Plündern losgehe, nur roten Kölsch und keinen blauen heimzubringen.4^
Und einmal, so erinnert sie sich, sei der Ruf erklungen: Freiheit, Gleichheit
, - aber d'Jude min umbracht si.49 Dieser Satz wirkt konstruiert und
man könnte unterstellen, Rosalie Hauser hätte mit ihm eher die von den Juden
erlebte Bedrohung auf den Punkt bringen, als eine reale Erinnerung zitieren
wollen. Doch es gibt auch andernorts Belege für solche Drohungen.
1847 waren z. B. im Odenwald Flugblätter aufgetaucht mit folgenden Forderungen
: Wir wollen nur sagen, weswegen die Revolution vonstatten gehen
soll. L Der Adel muß vernichtet werden. 2. Die Juden müssen aus
Deutschland vertrieben werden. 3. Müssen alle Könige, Herzöge und
Fürsten weg und Deutschland ein Freistaat wie Amerika werden. 4. Müssen
alle Beamte gemordet werden.50 Und als am 7. auf den 8. März 1848
eine Gruppe Maskierter in das nordbadische Dorf Unterschüpf eindrang,
skandierte sie die Parole: Freiheit, Gleichheit soll leben; die Juden müssen
sterben.51

Daß die Mehrheit der christlichen Bevölkerung die Bestrebungen der liberalen
und radikalen Abgeordneten um die Gleichstellung der Juden ablehnte
, war bekannt. Dennoch waren die Parlamentarier von dem Ausmaß der
Proteste überrascht. Die Kette der antijüdischen Übergriffe begann bereits
am 3. März 1848, ein Tag nach der entscheidenden Kammersitzung. Sie
hatte ihren Ausgang in Bretten und weitete sich in den folgenden Tagen
auf andere Kraichgauorte aus. Die „Allgemeine Zeitung" aus Karlsruhe
meldete am 9. März 1848: Eine allgemeine Judenverfolgung hat auf dem
flachen Land begonnen, scharenweise ziehen die Flüchtlinge den Städten
zu, namentlich nach Mannheim, wo die entschiedensten Freunde derselben
ansässig sind. Die Volksbewegung nimmt keine Notiz von den Theorien unserer
Kammerredner. In Bruchsal zog der Haufen der Stürmer sogar vor

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