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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
78. Jahresband.1998
Seite: 644
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arme Tier zu rupfen. Kein Hahn krähte mehr in dieser patriotischen Zeit,
weil jeder trauerte um seinen schönsten Schmuck. - Als 1849 gar wir Buben
Heckerhüte und Kokarden annahmen, wurden selbst die Hennen nicht
mehr verschont, um hinreichendes Material zu erhalten. Ich erinnere mich
noch wohl, eines Tages mit zwei Kameraden selbst in den geschlossenen
Hühnerhof des Pfarrhauses eingedrungen zu sein, um den Hahn und die
besseren Hühner des Dekans zu rupfen. Die Köchin Magdalene erhob aber
einen Mordsspektakel, und wir mußten die Flucht ergreifen. - So seufzte
die ganze Hühnerwelt unter der Manie der Heckerhüte und unter dem
Druck der Freiheit66. Ein „Guckkastenlied" wies gebührend auf das Vorbild
hin: Seht, da steht der große Hecker/Eine Feder auf dem Hut61.

Auch der Revolutionär, an den sich Reich erinnerte, hatte den breiten Hut
mit den Hahnenfedern etwas verwogen zur Seite gerückt. Solche Federn
sollten wohl an den gallischen Hahn erinnern, jenes Emblem der Französischen
Revolution, die der deutschen den Weg und das Ziel gezeigt hatte.
Schurz berichtet, daß viele seiner Leute lediglich ihre bürgerlichen Kleider
etwa mit einem Federschmuck auf dem Hut69 trugen; dies war, wie es
scheint, eindeutig und deutlich genug.

7. Die Farbe Rot

„Rot ist das Tuch, das wir entrollen..."

Noch deutlicher war es, wenn die Federn die richtige Farbe hatten: wenn
der Revolutionär eine rote Feder auf dem Heckerhute10 trug oder sich sogar
mit ganzen roten Federbüschen1'' schmückte. Andere, wie etwa der Rastatter
Kronenwirt, trugen eine rote Halsbinde12, und wieder andere hatten ihre
Pistolen im roten Gürtel17, stecken. Doch auch ohne ein solches Zeichen
wurde Heinrich Hetterich, der Bruchsaler Aufrührer, Brauer und Wirt, einfach
der rote Hetterich14 genannt.

Wieso die rote Farbe diese Rolle spielte, in der badischen Revolution sowie
in allen anderen, läßt sich nicht leicht sagen75. Gewiß hat es damit zu tun,
daß sie - die Farbe - stimulierend, erregend und erhitzend wirkt, und daß
sie an Blut, an Feuer und an die Morgenröte erinnert, mit der ein neuer Tag
beginnt; mithin an Motive archaischer Art, die aber revolutionär verstanden
werden konnten und oft auch wurden. Vielleicht kommt noch hinzu,
daß die rote, phrygische Mütze der Galeerensträflinge ein vielfach verwendetes
Symbol der Französischen Revolution war.

Die Preußen betrachteten lange die rote Farbe als Abzeichen revolutionärer
Gesinnung, so daß selbst die Oberländer Bauern mit ihren roten Brust-

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